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Richtungsband-Expressbus-Betrieb im Regionalverkehr auf dem Lande

Erstellt am: 02.06.2006 | Stand des Wissens: 10.08.2020
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König

Der Richtungsband-Expressbus-Betrieb kombiniert alle grundlegenden Betriebsformen des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) für Richtungsbänder in der Region mit dem Ziel, die Vorteile der einzelnen Betriebsformen und Verkehrsmittel zu nutzen und ihre Nachteile zu minimieren. Sein Grundgerüst besteht aus einer in einem Korridor zwischen zwei zentralen Orten direkt geführten und in einem festen Takt verkehrenden Expressbuslinie mit einer möglichst geringen Zahl fest bedienter Haltestellen, an denen sie mit fahrplangebundenen und - je nach Erfordernis - bedarfsunabhängigen oder bedarfsabhängigen Zubringersystemen verknüpft ist. [Köhl06]

Aufgenommen werden die Vorteile
  • des Linienbetriebes von Regionalbahnen mit kurzen Beförderungszeiten und hoher Leistungsfähigkeit sowie Regionalbussen mit geringen Infrastruktur- und Betriebskosten,
  • des Richtungsbandbetriebs mit guter Flächenerschließung und
  • der bedarfsabhängigen Bedienung mit Fahrzeugen unterschiedlicher Größe mit ihrer guten Anpassungsfähigkeit bei geringen Nachfragen.

So weit wie möglich vermieden werden die Nachteile
  • des Linienbetriebes von Regionalbahnen mit hohen Infrastruktur- und Betriebskosten, geringer Flexibilität und teilweise geringer Erschließungswirkung sowie Linienbussen mit teilweise langen Beförderungszeiten,
  • des Richtungsbandbetriebs mit gegebenenfalls langen Beförderungszeiten zum Bedienen von Bedarfshaltestellen, die Umwege erfordern, und
  • der bedarfsabhängigen Bedienung mit geringer Leistungsfähigkeit. [Köhl06]

Das letzlich verfolgte Prinzip ist Abb. 1 zu entnehmen.
REX-Betrieb_klein.jpgAbb. 1: Prinzip des Richtungsband-Expressbus-Betriebes (REx- Betrieb) [Köhl06]

Jeder Sektor weist mindestens eine feste Haltestelle auf, und zwar an der Expressbuslinie. Seine kleine Fläche gewährleistet, dass zu seinem Bedienen nur ein Fahrzeug erforderlich ist. Die Zubringersysteme können organisiert werden:
  • von dem Verkehrsunternehmen, das auch den Linienverkehr betreibt, mit eigenen Fahrzeugen oder solchen einer Tochtergesellschaft,
  • von einem privaten Verkehrs-, Taxi-, oder Car-Sharing-Unternehmen mit eigenen Fahrzeugen unter Einbeziehen vorhandener Anrufsammeltaxen-Systeme,
  • von der Gemeinde mit eigenen Fahrzeugen oder Fahrzeugen sonstiger öffentlicher oder privater Organisationen (vergleichbar einem Bürgerbussystem),
  • von der Gemeinde auf privater Basis mit Hilfe einer Mobilitätszentrale, beispielsweise in Form von Fahrgemeinschaften,
  • von den Kunden selbst oder einem Dritten auf privater Basis mit privaten Personenkraftwagen

Der Richtungsband-Expressbus-Betrieb kann in einem durch zwei zentrale Orte begrenzten Korridor unter bestimmten Bedingungen Regionalbahnen, konventionelle Linienbusse oder auch einen Richtungsbandbetrieb ersetzen.

Eine Pilotanwendung des Richtungsband-Expressbus-Betriebes existiert seit April 2006 in dem in Nordhessen gelegenen Schwalm-Eder-Kreis. Als Einsatzbereich wurde der Korridor zwischen den beiden Mittelzentren Homberg (Efze) und Schwalmstadt (Treysa) ausgewählt. Das sich etwa in der Mitte der beiden Mittelzentren befindende Unterzentrum Frielendorf dient als zentraler Verknüpfungspunkt zwischen dem Expressbus und den durch Zubringerverkehre erschlossenen Sektoren. Eine erste Modellrechnung zeigt, dass der Richtungsband-Expressbus-Betrieb sowohl dem Richtungsbandbetrieb als auch dem konventionellen Linienbetrieb mit Bussen oder Bahnen wirtschaftlich überlegen ist. [Köhl06]
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Differenzierte Bedienung auf dem Lande (Stand des Wissens: 26.10.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?14413
Literatur
[Köhl06] Appel, Lars, Dr.-Ing., Köhler, Uwe, Prof. Dr.-Ing. Zukunft des ÖPNV auf dem Land - Richtungsband-Expressbus als Antwort auf die tendenziell sinkende Nachfrage, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 5, Alba Fachverlag, 2006
Weiterführende Literatur
[Köhl07] Köhler, Uwe, Prof. Dr.-Ing. Chancen und Risiken des ÖPNV im ländlichen Raum, veröffentlicht in Straßenverkehrstechnik, Ausgabe/Auflage Heft 2, 2007/2
Glossar
Knotenpunkt
Ein Knotenpunkt im Verkehr ist ein Ort, bei dem sich mehrere Verkehrswege gleicher Art kreuzen oder ein Verkehrsweg in einen Verkehrsweg gleicher Art einmündet. In einem Verkehrsknotenpunkt befinden sich mehrere Verkehrsknoten von Verkehrswegen unterschiedlicher Art in unmittelbarer Nähe. In einem Verknüpfungspunkt kann der Übergang zwischen Fahrzeugen eines Verkehrssystems oder zweier verschiedener Verkehrssysteme erfolgen.
Carsharing
Der Begriff CarSharing stammt aus dem Englischen (car= Auto, to share= teilen) und kann sinngemäß mit der Bedeutung "Auto teilen" übersetzt werden. Er beschreibt die organisierte, gemeinschaftliche Nutzung von Kraftfahrzeugen, die meist von Unternehmen gegen Gebühr bereitgestellt werden.
Durch einen Rahmenvertrag oder eine Vereinsmitgliedschaft erhalten Kunden flexiblen Zugriff auf alle Kfz eines Anbieters. Die Fahrzeuge können über eine Webseite oder über eine Smartphone-App gebucht werden. Geöffnet werden sie in der Regel mit Hilfe von Chipkarten oder durch einen über die Smartphone-App vermittelten Zugangscode .
Bei dem System des stationsbasierten CarSharing stehen die Fahrzeuge auf reservierten Stellplätzen und werden nach der Nutzung auch wieder dorthin zurückgebracht. Ein anderes Modell ist das free-floating CarSharing. Hier stehen die Fahrzeuge in einem definierten Operationsgebiert verteilt. Sie können per Smartphone geortet werden und nach der Nutzung auf einem beliebigen Stellplatz innerhalb des Operationsgebiets zurückgegeben werden.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Betriebskosten
Betriebskosten sind laufende Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Erbringung von Verkehrsleistungen entstehen. Hierzu zählen zum Beispiel Aufwendungen für Energie, Personal, oder Infrastrukturnutzung.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?195283

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 00:02:23