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Mobilitätskennziffern von Kindern und Jugendlichen

Erstellt am: 29.05.2006 | Stand des Wissens: 27.01.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Das Wissen um das Mobilitätsverhalten von Kinder und Jugendlichen ist der Grundstein, um eine langfristige und effiziente Befriedigung von Mobilitätsbedürfnissen dieser heranwachsenden Generation zu gewährleisten.
Ihr Verhalten unterscheidet sich zum Teil deutlich von dem der erwachsenen Verkehrsteilnehmer, da Heranwachsende in ihrer Verkehrsmittelwahl stärker eingeschränkt sind und den Ge- und Verboten von Eltern und Betreuungseinrichtungen (wie zum Beispiel Schule oder Kindergarten) unterliegen. Zudem haben Kinder und Jugendliche abweichende Mobilitätsbedürfnisse. Sie verfügen über ein andersartiges Aktivitätsrepertoire und zumindest in jungen Jahren über kleinere Aktionsräume, in denen sie selbständig unterwegs sein können. Das Unterwegssein im Straßenverkehr ist vor allem in der Freizeit nicht zielgebunden.

Art und Umfang der Verkehrsteilnahme von Kindern und Jugendlichen variieren zum Teil deutlich nach Alter und Geschlecht - sie sind keine homogene Personengruppe: Beispielsweise findet durch die Möglichkeit des A1-Führerscheins ab 16 Jahren eine Veränderung im Modal Split innerhalb dieser Personengruppe statt, ähnlich beim Führerschein ab 17, beziehungsweise 18 Jahren. Die Beschreibung ihres heterogenen Mobilitätsverhaltens ist somit schwierig, jedoch unbedingt notwendig. Kinder von 0 bis 15 Jahren bilden im Jahr 2019 13,5 Prozent der Gesamtbevölkerung Deutschlands ab, die Altersgruppe bis unter 25 Jahre sogar 24,5 Prozent [StBu21].
Die Erhebung "Mobilität in Deutschland 2017" [Nobi18] ermöglicht diese Beschreibung der quantitativen Merkmale des Mobilitätsverhaltens von Kindern und Jugendlichen. Mithilfe der Eckwerte kann ein Vergleich zum Verhalten erwachsener Verkehrsteilnehmer gezogen, sowie die zeitliche Entwicklung dieser Werte verfolgt und prognostiziert werden.
Die mittlere Wegeanzahl von der Altersgruppe bis 19 Jahre ist mit 2,8 Wegen pro Tag etwas geringer im Vergleich zu Personen im Alter von 20 bis 69 Jahren, die circa 3,4 Wege pro Tag erledigen [Nobi18, S. 29]. Im Vergleich zum Jahr 2008 ist diese mittlere Wegeanzahl von Kindern und Jugendlichen als auch bei Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren gleich gesunken [Nobi18]. Die Mobilitätsquote, also der Anteil mobiler Personen am Stichtag, beider Personengruppen ist mit durchschnittlich 87 Prozent annähernd gleich. Somit ist auch die Mobilitätsquote im Vergleich zum Jahr 2008 um fünf Prozent gesunken.
Wie bereits beschrieben, ist die Personengruppe Kinder und Jugendliche vergleichsweise heterogen. So variiert der Umfang der täglichen Verkehrsbeteiligungen nach dem Alter, wie der Tabelle 1 zu entnehmen ist. Es ist erkennbar, dass vor allem bei den 10- bis 19-Jährigen die durchschnittliche Weglänge, die Tagesstrecke und die Unterwegszeit pro (mobile) Person und Tag höher ist als bei den bis zu Neunjährigen. Die Anzahl der Wege pro (mobile) Person pro Tag ist bei beiden Altersgruppen gleich. Die Mobilitätsquote ist bei der jüngeren Altersgruppe höher. Die Ursache dieser Differenzen liegt vermutlich bei der unterschiedlichen Freizeitgestaltung zwischen den Altersgruppen.
194834_Tabelle 1.png
Durchschnittlich werden die meisten Wege von Kindern bis neun Jahre als Mitfahrer des motorisierten Individualverkehrs (50 Prozent) beziehungsweise zu Fuß (32 Prozent) zurückgelegt. Der ÖV (6 Prozent) und das Rad (11 Prozent) werden seltener benutzt, siehe Abbildung 2. Es kommt jedoch innerhalb dieser beiden Personengruppen zu altersbedingten Unterschieden so sinkt beispielsweise mit steigendem Alter bei Kindern und Jugendlichen von 10 bis 19 Jahre der Anteil an zu Fuß gehenden (22 Prozent) zugunsten von Fahrrad (19 Prozent) und ÖV (23 Prozent) sowie später (ab 18 Jahren) zugunsten des motorisierten Individualverkehrs (9 Prozent). Die Selbstständigkeit macht sich bemerkbar. Verglichen mit dem Modal Split aller Altersgruppen sind deutliche Unterschieden zu erkennen, was die Wichtigkeit unterstreicht, das Mobilitätsverhalten und die Kennzahlen von Kindern und Jugendlichen im Gegensatz zu den von Erwachsenen zu kennen. [Nobi18, S. 49 f.]
Die Wegezwecke unterscheiden sich nach Alter und Geschlecht der Kinder und Jugendlichen, wie in Abbildung 3 dargestellt ist. Der häufigste Wegezweck ist Freizeit, gefolgt von Ausbildung. [Nobi18, S. 64]
Speziell im jungen Alter werden Grundsätzliche Mobilitätsentscheidungen gebildet. Diese müssen im späteren Leben gefestigt werden, vor allem, wenn neue Lebenssituationen wie zum Beispiel eine Familiengründung beginnen. Diese neuen Situationen führen auch zum Überdenken der Mobilitätsentscheidungen. Mit dem Verständnis um dieses Verhalten ist es möglich, ein passendes Verkehrsangebot zu erstellen und so beispielsweise Jugendliche auch nach Erreichen des 18. Lebensjahres langfristig an den ÖV zu binden.
194834_Abbildung_2.png
Abbildung 2: Modal Split (Verkehrsaufkommen) nach Altersgruppen [nach Nobi18, S. 50, Abbildung 21]
194834_Abbildung 3.pngAbbildung 3: Wegezwecke nach Altersgruppen und Geschlecht der Person in Prozent [Nobi18, S. 64, Abbildung 35 (Auszug)]

Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Mobilität von Kindern und Jugendlichen (Stand des Wissens: 31.03.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?195757
Literatur
[Funk02a] Funk, W. Beteiligung, Verhalten und Sicherheit von Kindern und Jugendlichen im Straßenverkehr, veröffentlicht in Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Mensch und Umwelt , Ausgabe/Auflage Heft M 138, Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven, 2002
[infas10] DLR - Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für Verkehrsforschung, infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft Mobilität in Deutschland 2008 (MiD 2008) , 2010/02
[Nobi18] Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH (infas),, Deutsches Zentrum für Raum- und Luftfahrt (DLR),, IVT Research GmbH,, infas 360 GmbH Mobilität in Deutschland 2017 (MiD 2017) - Ergebnisbericht , 2018
[StBu21] Statistisches Bundesamt (Hrsg.) Bevölkerung: Deutschland, Stichtag, Altersjahre, 2021/01/18
Weiterführende Literatur
[BMVI15w] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Familienmobilität im Alltag
, 2015/07
[FUSS20] FUSS e.V. Fachverband Fußverkehr Deutschland (Hrsg.) Wie bewegen sich Kinder?, 2020
Glossar
ÖV
Der öffentliche Verkehr (ÖV) ist sowohl im Personen-, Güter- sowie Nachrichtenverkehr für jeden Nutzer in einer Volkswirtschaft öffentlich zugänglich. Dazu zählen sowohl die öffentliche Personenbeförderung, der öffentliche Gütertransport als auch die öffentlichen Telekommunikations- und Postdienste. Der ÖV wird dabei von Verkehrsunternehmen nach festgelegten Routen, Preisen und Zeiten durchgeführt. Der ÖV ist somit im Gegensatz zum Individualverkehr (IV) örtlich und zeitlich gebunden.
Vor dem Hintergrund der verkehrspolitisch geförderten Multimodalität wird der ÖV zunehmend breiter definiert, indem auch alternative Bedienformen, Taxen bis hin zu öffentlichen Fahrrädern und öffentlichen Autos als Teil eines neuen individualisierten ÖV gesehen werden.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Modal Split
Modal Split wird in der Verkehrsstatistik die prozentuale Verteilung des Personen- und Güterverkehrs auf verschiedene Verkehrsmittel (Modi) genannt. Der Modal Split ist Folge des Mobilitätsverhaltens der Menschen und der wirtschaftlichen, insbesondere der verkehrlichen Entscheidungen von Unternehmen.
Verkehrsaufkommen Das Verkehrsaufkommen beschreibt die Anzahl der zurückgelegten Wege, beförderten Personen oder Güter pro Zeiteinheit. Im Unterschied dazu bezieht sich das spezifische Verkehrsaufkommen auf zurückgelegte Wege und beschreibt die mittlere Anzahl der Ortsveränderungen pro Person und Zeiteinheit.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?194834

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 16:05:14