Jugendliche in öffentlichen Räumen der Stadt - Chancen und Restriktionen der Raumaneignung
Erstellt am: 17.05.2006
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Autoren: | Herlyn, Ulfert et al. | |
Erscheinungsjahr / -datum: | 2003 | |
Verlag / Ort: | Leske + Budrich, Opladen | |
Zitiert als: | [Herl03] | |
Art der Veröffentlichung: | Studie | |
Sprache: | deutsch | |
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Review
Erstellt am: 13.06.2006 | Stand des Wissens: 05.07.2016
Ansprechperson:
Ziel / Zweck
In dem Forschungsprojekt der Wüstenrot Stiftung "Jugendliche in öffentlichen Räumen der Stadt" werden die Art der Aneignung und die Form der Nutzung von öffentlichen Räumen beispielhaft anhand von sechs ausgewählten Raumtypen in Hannover untersucht. In der Studie wird analysiert, inwiefern die verschiedenen Raumtypen den Bedürfnissen und Interessen von Jugendlichen gerecht werden. Dabei werden die Jugendlichen nach Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit differenziert, um evtl. vorliegende strukturelle Benachteiligungen zu identifizieren [Herl03, S. 30 ff.].
Methodik und Durchführung
Ergebnisse und Schlussfolgerungen
Für Jugendliche haben öffentliche Räume die sozialisierenden Funktionen der Repräsentation bzw. Selbstdarstellung und der Kommunikation bzw. Interaktion. Repräsentation beinhaltet die Auseinandersetzung der Jugendlichen mit der Realität der Erwachsenen, der für die Jugendlichen kein Verständnis aufbringt, in die sie aber eingegliedert werden sollen. Da Jugendliche öffentliche Räume in Gruppen aufsuchen oder sich in den öffentlichen Räumen Gruppen bilden, sollten sie Gelegenheiten der Kommunikation und Interaktion bieten. Dem Bedürfnis von Jugendlichen nach öffentlichen Räumen, die wenig kontrolliert sind und in die sie Erfahrungen sammeln können, um sich zu entwickeln, steht zum einen das sicherheitsbedingte Verlangen der Eltern nach mehr sozialer Kontrolle und zum anderen Restriktionen bzw. Barrieren unterschiedlicher Art entgegen [Herl03, S. 30 ff].
Verschiedenen Raumtypen1 werden auf unterschiedliche Weise den Bedürfnissen und Interessen von Jugendlichen gerecht. Jugendliche müssen im Rahmen ihrer Entwicklung eine eigene Identität aufbauen, dazu müssen sie Gelegenheit zu Repräsentation und Selbstdarstellung in der Welt der Erwachsenen, also in öffentlichen Räumen, haben. Aus diesem Grund sind öffentliche Räume favorisierte Freizeitorte von Jugendlichen. Zentrale Stadtplätze mit diversen Lokalen und Freizeitangeboten sind die von Jugendlichen am höchsten frequentierten Orte. Die Plätze dienen dabei als Treff- und Versammlungspunkt vor und zwischen den Aktivitäten. Spezielle Jugendeinrichtungen wie ein Jugendzentrum bieten den Vorteil eines relativ sicheren, da betreuten, und konsumfreien Treffortes. Räume im Wohnumfeld und grünbestimmte Freiräume werden hingegen nahezu gar nicht für die Selbstdarstellung genutzt, dort suchen Jugendliche beiläufig nach anderen bekannten Jugendlichen und treffen sich an bestimmten Orten (z. B. Bänke). Solche Orte, die keine Verweilmöglichkeit bieten, wie eine Fußgängerzone, schränken die Selbstdarstellungsmöglichkeiten der Jugendlichen ein. Auch an einsamen und verlassenen Orten, wie einer Industriebrache, kann Selbstdarstellung nur in indirekter Form als Graffiti festgestellt werden. Für den Aspekt der Selbstdarstellung ist es entscheidend, dass die Jugendlichen überwiegend paarweise oder in Gruppen auftreten. Die Anwesenheit von Erwachsenen scheint bei Jugendlichen provokantes Verhalten herauszufordern, da sie an den Reaktionen der Erwachsenen ihre eigenen Verhaltensweisen prüfen müssen [Herl03, S. 218 ff.].
Die Aspekte Kommunikation und Interaktion sind generell an allen öffentlichen Räumen besonders präsent und ausgeprägt. Im Wohnumfeld, im Park und im Jugendzentrum finden häufig spiel-, sport- und bewegungsorientierte Handlungen statt. Zentrale Stadtplätze und Jugendzentren werden ebenfalls häufig für Unterhaltung und Beobachtung genutzt. Jugendliche können sich ungenutzte, verlassene Brachen aneignen und ihnen kreativ neue Funktionen zuordnen. Auch in diesem Bereich weist die Fußgängerzone die geringsten Möglichkeiten auf, sie wird häufiger alleine aufgesucht und dient mehr dem gezielten Konsum [Herl03, S. 225 ff.].
Jugendliche befassen sich wenig mit der Gestaltung und Ausstattung von öffentlichen Räumen, ihnen fällt eher deutlich auf, wenn ein Raum für eine andere Zielgruppe konzipiert ist. Für Raumbereiche, die die Jugendlichen selbst oft nutzen, haben sie hingegen detaillierte Ausstattungsvorstellungen. Die Wünsche der Jugendlichen umfassen Rückzugs- aber auch Begegnungsorte, grünbestimmte Räume, Sportmöglichkeiten (Skaten, Tischtennis, Fußball), Überdachungen und Sitzgelegenheiten (Stufen, Treppen). Jugendliche favorisieren belebte Bereiche, die Begegnungsmöglichkeiten bieten, und Aufenthaltsorte, die einen guten Überblick über dem Raum geben [Herl03, S. 229 ff.].
Bei der Betrachtung von Geschlechterunterschieden zeigte sich, dass weibliche Jugendliche sich zu einem geringeren Anteil in öffentlichen Räumen aufhalten. Besonders in Räumen mit vielen kreativen und aktiven Handlungen sind sie unterrepräsentiert. In Räumen mit überwiegend introvertierten und passiven Räumen ist hingegen ein erhöhter Anteil weiblicher Jugendlicher festzustellen. Männliche Jugendliche tätigen mehr spiel- und sportbetonte Handlungen (Skaten, Fußball spielen), während weibliche Jugendliche häufiger ruhebetonte Aktivitäten (sitzen, sonnen, lesen, trinken) ausführen. Die beobachteten "geschlechtertypischen Muster" verdeutlichen die Beständigkeit "traditioneller Verhaltensrollen, und in den Raumausstattungen findet sich noch immer eine Dominanz jungenbezogener Gestaltung" [Herl03, S. 234; Hervorhebung im Original].
1 Die untersuchten Räume:
In dem Forschungsprojekt der Wüstenrot Stiftung "Jugendliche in öffentlichen Räumen der Stadt" werden die Art der Aneignung und die Form der Nutzung von öffentlichen Räumen beispielhaft anhand von sechs ausgewählten Raumtypen in Hannover untersucht. In der Studie wird analysiert, inwiefern die verschiedenen Raumtypen den Bedürfnissen und Interessen von Jugendlichen gerecht werden. Dabei werden die Jugendlichen nach Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit differenziert, um evtl. vorliegende strukturelle Benachteiligungen zu identifizieren [Herl03, S. 30 ff.].
Methodik und Durchführung
- Befragung
- andere Methodik
- Befragung mittels Online-Forum
- Interviews mit Jugendlichen und mit Expertinnen und Experten
- nicht-teilnehmende Beobachtung
- qualitative Experimente
Ergebnisse und Schlussfolgerungen
Für Jugendliche haben öffentliche Räume die sozialisierenden Funktionen der Repräsentation bzw. Selbstdarstellung und der Kommunikation bzw. Interaktion. Repräsentation beinhaltet die Auseinandersetzung der Jugendlichen mit der Realität der Erwachsenen, der für die Jugendlichen kein Verständnis aufbringt, in die sie aber eingegliedert werden sollen. Da Jugendliche öffentliche Räume in Gruppen aufsuchen oder sich in den öffentlichen Räumen Gruppen bilden, sollten sie Gelegenheiten der Kommunikation und Interaktion bieten. Dem Bedürfnis von Jugendlichen nach öffentlichen Räumen, die wenig kontrolliert sind und in die sie Erfahrungen sammeln können, um sich zu entwickeln, steht zum einen das sicherheitsbedingte Verlangen der Eltern nach mehr sozialer Kontrolle und zum anderen Restriktionen bzw. Barrieren unterschiedlicher Art entgegen [Herl03, S. 30 ff].
Verschiedenen Raumtypen1 werden auf unterschiedliche Weise den Bedürfnissen und Interessen von Jugendlichen gerecht. Jugendliche müssen im Rahmen ihrer Entwicklung eine eigene Identität aufbauen, dazu müssen sie Gelegenheit zu Repräsentation und Selbstdarstellung in der Welt der Erwachsenen, also in öffentlichen Räumen, haben. Aus diesem Grund sind öffentliche Räume favorisierte Freizeitorte von Jugendlichen. Zentrale Stadtplätze mit diversen Lokalen und Freizeitangeboten sind die von Jugendlichen am höchsten frequentierten Orte. Die Plätze dienen dabei als Treff- und Versammlungspunkt vor und zwischen den Aktivitäten. Spezielle Jugendeinrichtungen wie ein Jugendzentrum bieten den Vorteil eines relativ sicheren, da betreuten, und konsumfreien Treffortes. Räume im Wohnumfeld und grünbestimmte Freiräume werden hingegen nahezu gar nicht für die Selbstdarstellung genutzt, dort suchen Jugendliche beiläufig nach anderen bekannten Jugendlichen und treffen sich an bestimmten Orten (z. B. Bänke). Solche Orte, die keine Verweilmöglichkeit bieten, wie eine Fußgängerzone, schränken die Selbstdarstellungsmöglichkeiten der Jugendlichen ein. Auch an einsamen und verlassenen Orten, wie einer Industriebrache, kann Selbstdarstellung nur in indirekter Form als Graffiti festgestellt werden. Für den Aspekt der Selbstdarstellung ist es entscheidend, dass die Jugendlichen überwiegend paarweise oder in Gruppen auftreten. Die Anwesenheit von Erwachsenen scheint bei Jugendlichen provokantes Verhalten herauszufordern, da sie an den Reaktionen der Erwachsenen ihre eigenen Verhaltensweisen prüfen müssen [Herl03, S. 218 ff.].
Die Aspekte Kommunikation und Interaktion sind generell an allen öffentlichen Räumen besonders präsent und ausgeprägt. Im Wohnumfeld, im Park und im Jugendzentrum finden häufig spiel-, sport- und bewegungsorientierte Handlungen statt. Zentrale Stadtplätze und Jugendzentren werden ebenfalls häufig für Unterhaltung und Beobachtung genutzt. Jugendliche können sich ungenutzte, verlassene Brachen aneignen und ihnen kreativ neue Funktionen zuordnen. Auch in diesem Bereich weist die Fußgängerzone die geringsten Möglichkeiten auf, sie wird häufiger alleine aufgesucht und dient mehr dem gezielten Konsum [Herl03, S. 225 ff.].
Jugendliche befassen sich wenig mit der Gestaltung und Ausstattung von öffentlichen Räumen, ihnen fällt eher deutlich auf, wenn ein Raum für eine andere Zielgruppe konzipiert ist. Für Raumbereiche, die die Jugendlichen selbst oft nutzen, haben sie hingegen detaillierte Ausstattungsvorstellungen. Die Wünsche der Jugendlichen umfassen Rückzugs- aber auch Begegnungsorte, grünbestimmte Räume, Sportmöglichkeiten (Skaten, Tischtennis, Fußball), Überdachungen und Sitzgelegenheiten (Stufen, Treppen). Jugendliche favorisieren belebte Bereiche, die Begegnungsmöglichkeiten bieten, und Aufenthaltsorte, die einen guten Überblick über dem Raum geben [Herl03, S. 229 ff.].
Bei der Betrachtung von Geschlechterunterschieden zeigte sich, dass weibliche Jugendliche sich zu einem geringeren Anteil in öffentlichen Räumen aufhalten. Besonders in Räumen mit vielen kreativen und aktiven Handlungen sind sie unterrepräsentiert. In Räumen mit überwiegend introvertierten und passiven Räumen ist hingegen ein erhöhter Anteil weiblicher Jugendlicher festzustellen. Männliche Jugendliche tätigen mehr spiel- und sportbetonte Handlungen (Skaten, Fußball spielen), während weibliche Jugendliche häufiger ruhebetonte Aktivitäten (sitzen, sonnen, lesen, trinken) ausführen. Die beobachteten "geschlechtertypischen Muster" verdeutlichen die Beständigkeit "traditioneller Verhaltensrollen, und in den Raumausstattungen findet sich noch immer eine Dominanz jungenbezogener Gestaltung" [Herl03, S. 234; Hervorhebung im Original].
1 Die untersuchten Räume:
- Räume im Wohnumfeld: Prinz-Albrecht-Ring: neueres, innenstadtnahes Wohnquartier
- Grünbestimmte Freiräume: Vahrenwalder Park: neu gestalteter Quartierspark inmitten weiterer öffentlicher Freizeitangebote
- Einrichtungen für Jugendliche: Jugendzentrum Mühlenberg: zentrale Lage
- Fußgängerstraßen: Andreaestraße: Stadtmitte
- Zentrale Stadtplätze: Raschplatz hinter dem Hauptbahnhof: grenzt an Lokale, Geschäfte, City-Center und Kinokomplex
- Brachen: Gelände am Südbahnhof: leerstehende Hallen und angrenzende Industriebrache, weitläufig und uneinsehbar [Herl03, S. 38 f.]