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Verkehrsmittelwahl zum Flughafen

Erstellt am: 18.02.2006 | Stand des Wissens: 11.11.2016
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Die Entscheidungsfindung über den Aus- oder Neubau von Flughafeninfrastrukturen basiert in der Regel auf Schlussfolgerungen, die aus Szenarien und Prognosen des Flughafen- und Zugangsverkehrs gezogen werden. Zur Entwicklung derartiger Szenarien wird auf Modelle der Flughafenwahl sowie der Wahl der Zugangsverkehrsmittel zurückgegriffen. Ein geeignetes Modell zur Prognose der Verkehrsmittelwahl, welches sich auf eine beliebige Flughafenanzahl und deren zweckmäßige Kombinationen sowie Zugangsmodi anwenden lässt, wurde vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt. Die Basis bildet ein diskretes Entscheidungsmodell, bei dem das Verhalten eines Individuums, dessen Ziel die Maximierung eines Nutzens ist, modellhaft abgebildet wird. Dieses Entscheidungsverhalten ist allerdings aus externer Perspektive nicht vollständig beobachtbar. Ein Entscheidungsträger hinterfragt beispielsweise für sich selbst die optimale Alternative und bewertet deren Nutzen anhand von entscheidungsrelevanten Kriterien. Da diese Bewertung allerdings für eine externe Prognose nicht fehlerfrei messbar ist, kann nur eine Aussage über die wahrscheinlich optimale Alternative für die Person getroffen werden. Bei einer Aggregation dieser Auswahlwahrscheinlichkeiten über eine homogene Gruppe ergeben sich die relativen Anteile der einzelnen Alternativen nach Marktsegmenten.

Bei der Zugangsverkehrsmittelwahl können Personen aus den in Abbildung 1 dargestellten Alternativen wie Fernzug, Taxi, PKW, Mietwagen, Bus, S-Bahn wählen. Jede dieser Alternativen besitzt dabei spezifische Eigenschaften, wie Zugangskosten oder Reisezeit. Die Marktsegmente bilden beispielsweise der innerdeutsche, europäische oder interkontinentale Flugreiseverkehr oder die jeweilige Unterscheidung zwischen Privat- und Geschäftsreisen. Der Entwicklung dient ein Nested Logit-Ansatz, sodass das Modell auch auf Alternativen außerhalb des Schätzdatensatzes anwendbar ist. Das Logit-Modell bildet den Nutzen, der sich aus einem deterministischen (eindeutig festlegbaren) und einem stochastischen (zufälligen) Anteil zusammensetzt, in einer Wahrscheinlichkeitsfunktion ab. Dies ist nötig, da für eine gemeinsame Analyse der Dimensionen Flughafenwahl und Zugangsverkehrsmittelwahl bei Anwendung eines einfachen Modellansatzes zu viele Alternativen für die Modellschätzung bestehen. Somit können im Rahmen einer Szenarioanalyse neue Handlungsmöglichkeiten evaluiert werden. Der verwendete Prognoseansatz ist individuell entscheidungsorientiert und ermöglicht es dadurch einen Zusammenhang zwischen den Eigenschaften einer Alternative herzustellen, wie beispielsweise Zugangszeit oder Anzahl angebotener Flüge und ihres Marktanteils, der durch die individuellen Entscheidungen der Passagiere bestimmt wird [Gelh06].


Abbildung 1: Flughäfen und Zugangsmodi [Gelh06]

Für die Wahl des Flughafen- und Zugangsmodus umfasst die Datenbasis unter anderem Informationen der Fluggastbefragung wie Startpunkt der Reise, Reiseziel, Startflughafen, Zugangsverkehrsmittel zum Flughafen, Reisedauer und persönliche Merkmale sowie die Reisedauer und den Reiseanlass. Diese Informationen werden nach den Marktsegmenten  differenziert.

Abbildung 2: Bildung von Flughafenkategorien [Gelh06]

Aus Sicht der Nachfrage werden zudem Flughafenkategorien gebildet, die sich am Angebotsumfang und der Angebotsstruktur orientieren und beispielhaft in Abbildung 2 dargestellt sind. Der Angebotsumfang beinhaltet die angebotenen Flüge pro Woche, die Anzahl der verschiedenen Ziele sowie die definierten Zielgebiete, getrennt in innerdeutschen (domestic), europäischen und interkontinentalen Verkehr. Des Weiteren wird segmentiert nach der Markt- beziehungsweise Serviceorientierung des Anbieters Fluggesellschaft; Billigfluggesellschaft (Low Cost Carrier), Gelegenheits- (Charter) oder Linienfluggesellschaft. Die Hubflughäfen, (Flughafenkategorie FH1) haben in ihrem Angebot überwiegend europäische und interkontinentale Linienflüge. Wie die Tabelle in Abbildung 3 verdeutlicht, verfügen Hubflughäfen über eine verhältnismäßig geringe Anzahl an innerdeutschen Flugzielen, wobei deren Frequenz (Anzahl der angebotenen Flüge pro Tag/Woche zu diesem Ziel) vergleichsweise hoch ist.
Flughafenkategorien in der Modellumgebung

Abbildung 3: Flughafenkategorien in der Modellumgebung [Gelh06]

Anwendung findet der Modellansatz bei der Analyse von bestehenden Systemen, der Analyse von Angebotsveränderungen in bestehenden System sowie in der Analyse und Prognose neuer Systeme für zukünftige Infrastruktur-Szenarien wie beispielweise Flughafenneubauten oder der Anschluss einer Fernzugverbindung an einen bestehenden Flughafen.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Merkmale des Luftverkehrs (Stand des Wissens: 27.02.2019)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?249783
Literatur
[Gelh06] Marc Christopher Gelhausen Flughafen- und Zugangsverkehrsmittelwahl in Deutschland - Ein verallgemeinerter Nested Logit-Ansatz, veröffentlicht in Proceedings of Deutscher Luft- und Raumfahrtkongress 2006, 2006
Glossar
deterministisch Die deterministische Bemessung erfolgt mit präzisen Eingangswerten und liefert ein präzises Bemessungsergebnis.
Szenarien Ein Szenario ist ein Bild der Zukunft, das sich aus einer bestimmten Kombination von relevanten Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen entwickelt. Das grundsätzliche Anliegen von Szenarien besteht darin, verschiedene Handlungsoptionen zu verdeutlichen und ihre Folgewirkungen transparent zu machen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?186961

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 11:38:28