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Privatisierungsvarianten der Deutschen Bahn AG "mit und ohne Netz"

Erstellt am: 30.01.2006
Autoren:   BAH - Booz, Allen & Hamilton
ProgTrans AG
Technische Universität Berlin, Fachgebiet Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik (WIP) - Prof. Dr. v. Hirschhausen
BSL Management Consultants Bente, Petersen & Partner
Lehrstuhl Allgemeine BWL und Mobility Management, Zeppelin University Friedrichshafen
Morgan Stanley Investmentbank
Waldeck Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft
Erscheinungsjahr / -datum:   2006/01
Zitiert als:   [BAHa06]
Art der Veröffentlichung:   Studie
Sprache:   deutsch
Review
Erstellt am: 30.01.2006 | Stand des Wissens: 25.03.2010

Ansprechperson:
Ziel / Zweck
Als Entscheidungsgrundlage für die politische Diskussion für die nächsten Schritte der Bahnreform (Stufe III) hat das BMVBW in Kooperation mit dem BMF eine Studie zu den Privatisierungsalternativen der Deutschen Bahn AG mit und ohne Netz ("PRIMON") in Auftrag gegeben. Das Gutachterkonsortium unter Leitung von Booz Allen Hamilton hat dabei alternative Strukturmodelle im Hinblick auf die Kriterien Wettbewerb und Kundeninteressen, Kapitalmarktfähigkeit, Haushaltswirkungen sowie institutionelle Rahmenbedingungen bewertet. Jedoch sollte keine abschließende Empfehlung ausgesprochen werden.

Methodik und Durchführung
  • Literaturauswertung
  • Modellentwicklung
  • Datenanalyse
  • Interviews, Expertengespräche


Ergebnisse und Schlussfolgerungen
Insgesamt werden in dem Gutachten fünf Strukturmodelle für einen Bahn-Börsengang untersucht und bewertet: (i) Integriertes Modell; (ii) Eigentumsmodell; (iii) Eigentumsmodell in einer Gestaltungsvariante; (iv) Finanzholding-Modell; (v) Getrenntes Modell. Die enthaltenen Prognosen zur Verkehrsmarktentwicklung, Kapitalmarktfähigkeit und zu den Haushaltswirkungen erstrecken sich über einen Zeitraum von etwa 10 bis 15 Jahren ab 2006. Alle Strukturmodelle wurden so spezifiziert, dass sie rechtlich zulässig sind. Sie werden abschließend in einer Bewertungsmatrix gegenübergestellt. Kein Modell wird von einem anderen klar dominiert oder dominiert andere.

Das Integrierte Modell entspricht der gegenwärtigen Struktur der DB AG (Managementholding), allerdings gibt es Hinweise auf organisatorischen Anpassungsbedarf. Im Eigentumsmodell behält der Staat das Eigentum an der Infrastruktur und die Letztentscheidung über Investitionen, die DB AG wird aber auf Grundlage eines langfristigen Vertrages als Betreiber der Infrastruktur eingesetzt und verfügt über alle Planungskapazitäten. In der Gestaltungsvariante des Eigentumsmodells bleiben die Planungskapazitäten bei der staatlichen Gesellschaft (auch Trassenvergabe und Instandhaltungsplanung), der DB AG werden lediglich ausführende Tätigkeiten und der operativen Betrieb übertragen (auch Zugsteuerung). In der Finanzholding bleibt der Staat Mehrheitseigner der Infrastruktur, die DB AG (obwohl Minderheitseigner) lenkt die Infrastrukturgesellschaft in der Art einer Finanzholding. Im Getrennten Modell gibt es keine Eigentümerbeziehungen zwischen der staatlichen Infrastruktur- und der privatisierbaren Transportgesellschaft.

Mit Blick auf die vier Bewertungskriterien lassen sich aus den Untersuchungen folgende Schlussfolgerungen ziehen:
  • Der intramodale Wettbewerb auf der Schiene wird im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und im Schienengüterverkehr (SGV) in allen Strukturmodellen zunehmen, im Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) deutlich weniger. Besonders stark sind die Wettbewerbseffekte im Getrennten Modell, im Eigentumsmodell-Gestaltungsvariante und im Finanzholding-Modell. Hier sind auch deutliche wettbewerbsbedingte Preissenkungen zu erwarten, die im SPNV zu Einsparungen an Regionalisierungsmitteln (bei konstantem Bestellvolumen) und im SGV zu einer moderaten Erhöhung des Marktanteils der Schiene führen. Allerdings ist in keinem Strukturmodell zu erwarten, dass der Marktanteil der Schiene (intermodaler Wettbewerb) im betrachteten Zeitraum signifikant gesteigert werden kann. Im Integrierten Modell und in der Grundversion des Eigentumsmodells bleiben starke Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der DB AG bestehen - trotz Übergang zu öffentlichen Ausschreibungen im SPNV, innerbetrieblicher Chinese Walls und Regulierungsbehörde. Daher sind in diesen Modellen deutlich geringere Mengen- und insbesondere Preiseffekte des Wettbewerbs zu erwarten.
  • Bei der Realisierung des Getrennten Modells, des Eigentumsmodells-Gestaltungsvariante und des Finanzholding-Modells treten drei Kategorien von Kosten auf: (i) kurz- und mittelfristige Trennungskosten (inklusive Remanenzkosten), (ii) langfristige Dissynergien und (iii) langfristige Effizienzverluste bei der Infrastruktur aufgrund der stärkeren Staatsnähe dieser Gesellschaft. Von diesen drei Komponenten überwiegt die dritte (ihr stehen allerdings in der längeren Sicht Effizienzgewinne in den Transportgesellschaften gegenüber, da diese dann eine geringere Staatsnähe haben). Die Summe dieser Kosten ist in keinem Modell so hoch, dass sie als Ausschlusskriterium dienen könnte.
  • Keines der Strukturmodelle stellt die Börsenfähigkeit der DB AG grundsätzlich in Frage. Die Gutachter erwarten allerdings, dass die erwartete starke Zunahme des intramodalen Wettbewerbs einen hohen Effizienzdruck auf die DB ausüben wird und möglicherweise eine Belastung der Umsatz- und Ergebnisentwicklung nach 2009 zur Folge hat. Im Integrierten Modell und in der Grundversion des Eigentumsmodells wäre eine Privatisierung zu einem deutlich früheren Zeitpunkt möglich als in den anderen Modellen, weil dort nur geringe Strukturänderungen nötig sind und mögliche Investoren schon auf einen Track Record von einigen Jahren zurückblicken können.
  • Die berechneten Haushaltswirkungen setzen sich zusammen aus dem Verkaufserlös bzw. dem Dividendenstrom der DB AG an den Staat einerseits und den Einsparungen der Länder an Regionalisierungsmitteln andererseits. Hinzu kommt in den Trennungsvarianten der Eigenkapitalwert bzw. die Verschuldung der Infrastruktur. Während im Integrierten Modell und in der Grundversion des Eigentumsmodells die Summe aus Verkaufserlös und Dividendenstrom für den Staat am höchsten ist, ist die wettbewerbsbedingte Einsparung an Regionalisierungsmitteln dort am geringsten. Die drei Geldströme weisen ganz unterschiedliche zeitliche Strukturen auf. Je nachdem, welche Abschläge berücksichtigt und welche Diskontsätze angesetzt werden, ergeben sich unterschiedliche Relationen und Differenzen zwischen den Gegenwartswerten der Modelle. In den meisten Fällen zeigt sich ein Vorteil für das Integrierte Modell und die Grundversion des Eigentumsmodells gegenüber den anderen Modellen, doch ganz unterschiedlichen Ausmaßes.
  • Im Hinblick auf das Integrierte Modell werden einige strukturelle Anpassungsanforderungen gestellt. Alle anderen Strukturmodelle wurden rechtlich zulässig konstruiert. Damit verbleiben folgende rechtliche Bewertungskriterien: Die grundgesetzliche Privatisierungsschranke führt dazu, dass das Integrierte Modell und die Grundversion des Eigentumsmodells auf Dauer zu mindestens 50% in der Hand des Staates verbleiben müssen, während in den anderen Modellen die Transportsparten voll privatisierbar sind. Der Kontroll- und Regulierungsaufwand ist beim Integrierten Modell und der Grundversion des Eigentumsmodells deutlich höher als bei den anderen Modellen. Der rechtliche Anpassungsbedarf zur Realisierung ist beim Integrierten Modell am geringsten, beim Eigentumsmodell-Gestaltungsvariante am höchsten. Die langfristige Konformität mit dem EU-Recht könnte bei dem Integrierten Modell und der Grundversion des Eigentumsmodells gefährdet sein; die EU wird diese Modelle in der Praxis kritisch verfolgen und könnte spätere Anpassungen einfordern. Das Getrennte Modell würde den Idealvorstellungen der EU entsprechen, das Eigentumsmodell-Gestaltungsvariante wäre ebenfalls unproblematisch, das Finanzholding-Modell nimmt eine mittlere Stellung ein. Die Flexibilität des Staates in Hinblick auf Infrastrukturentscheidungen ist im Integrierten Modell und im Finanzholding-Modell stark eingeschränkt; der Staat müsste hier eventuell Anteile zurückkaufen oder Anteilseigner entschädigen. Die Eigentumsmodelle erlauben eine deutlich höhere Flexibilität, beim Getrennten Modell ist der Einfluss des Staates auf die Infrastruktur gesichert. Eine analoge Abstufung gilt hinsichtlich der Absicherung des Infrastrukturauftrags des Bundes im Falle einer Schlechtleistung oder Insolvenz.

Zitiert in Synthesebericht

Ansprechperson
BAH - Booz, Allen & Hamilton
ProgTrans AG
Technische Universität Berlin, Fachgebiet Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik (WIP) - Prof. Dr. v. Hirschhausen
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?185732

Gedruckt am Sonntag, 23. Februar 2025 09:30:50