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FIFA Fussball WM 2006 (TM)

Erstellt am: 25.08.2005 | Stand des Wissens: 26.11.2018
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Für die Durchführung und Organisation des in Deutschland größten sportlichen Ereignisses der letzten Jahre, der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft (WM) 2006 (TM), waren eine Vielzahl an Aufgaben zu bewältigen. Hierzu zählen aus verkehrsplanerischer Sicht zum Beispiel:
  • die Abschätzung der Zuschauerströme,
  • Transportaufgaben vor und während der WM,
  • Verkehrslenkungsmaßnahmen während der WM,
  • Definition der Anforderungen an Verkehrsinformationsdienste,
  • Aufbau des Reisezentrums (web-basiert per Internetseite),
  • Abstimmung mit kommunalen Strategien,
  • Aufbau mobiler Dienstangebote sowie
  • die Übertragung der Verkehrsdienste auf andere Großereignisse.
Die Erreichbarkeit der Stadien, in denen die Spiele der WM 2006 stattgefunden haben, sind im Vorfeld durch zahlreiche Fußballspiele, Konzerte etc. in der Praxis nachgewiesen und als "massentauglich" eingestuft worden. Auch die Erreichbarkeit der 12 WM-Städte wurde unter anderem aufgrund des dichten Straßen- und Schienennetzes in Deutschland gewährleistet. Da die FIFA zudem besonders hohe Anforderungen an die Erreichbarkeit der Spielorte stellte, wurden punktuelle Netzergänzungen und Kapazitätserweiterungen vorgenommen.

Die Bilanz der WM zeigt, dass die Anzahl der erwarteten Besucher in den Stadien und Fandörfern weit übertroffen wurde. Während der WM wurde mit etwa 1 Million Besucher aus dem Ausland gerechnet, tatsächlich sind jedoch über 2 Millionen nach Deutschland angereist. Im Durchschnitt verfolgten 51.000 Zuschauer pro Spiel die WM im Stadion, was einer Auslastung von etwa 99,98 Prozent entspricht. Das "Public Viewing" übertraf mit insgesamt 14 Millionen Zuschauern alle Prognosen. Gegen Ende der WM wurden sogar einige Fanfeste erweitert. Trotz dieser zusätzlichen Belastungen konnte das Verkehrsaufkommen gut bewältigt werden.

Straßenverkehr

Der Bund investierte etwa 3,7 Milliarden Euro in Strecken, die für die WM von Bedeutung waren. Somit wurden circa 370 Kilometer Autobahn neu gebaut oder erweitert, hauptsächlich ging es um den 6-spurigen Ausbau. Weitere 802 Millionen Euro wurden in die Verbesserung des Nahverkehrs investiert. Um Engpässe zu vermeiden, wurden während der WM im Radius von 50 Kilometern um die WM-Städte auf länger andauernde Autobahnbauarbeiten sowie auf kommunale Straßenbaustellen im Bereich der WM-Städte verzichtet. Millionenstarke Investitionen in Telematiksysteme ermöglichten einen möglichst schnellen und störungsfreien Verkehrsfluss (IT-gestützte Verkehrsleitsysteme). Hierbei lenkte eine 3-feldrige Zusatzbeschilderung mit dem WM-Logo, dem Arenasymbol für das Stadion und einem Farbrechteck zur Zielgruppenführung die Besucherströme (siehe Abbildung 1). Die speziellen Wegeleitungen orientierten sich an den Sitzplätzen der Stadien. Diese wurden auch weitgehend von den Besuchern befolgt, wodurch das Verkehrsaufkommen entzerrt wurde.

WM_Verkehrsleitsystem.pngAbb. 1: WM-Verkehrsleitsystem (Vortrag Kuchenbecker zur "WM-Nachlese", 29./30. August 2006)
Flugverkehr
Bis auf die beiden Städte Kaiserslautern und Gelsenkirchen verfügten alle 12 WM-Austragungsorte über eigene Flughäfen. Gelsenkirchen ist jedoch vom Flughafen Düsseldorf in etwa 30 Minuten zu erreichen. Die Fahrzeit des ICE vom Flughafen Frankfurt am Main nach Kaiserslautern beträgt circa 90 Minuten. Vom Flughafen Saarbrücken ist Kaiserslautern in etwa einer Stunde zu erreichen. Von den Flughafenstädten hatten wiederum bis auf Berlin, Hamburg und Dortmund alle Flughäfen einen S-Bahn-Anschluss. Durch den starken Rückreiseverkehr am Tag nach dem Finale (10. Juli 2006) hat die Deutsche Flugsicherung ihren Rekord mit bundesweit über 10.000 Flügen gebrochen. Normalerweise kontrollieren sie etwa 8.000 - 9.000 Flüge an einem Tag. Während der gesamten Fußball-WM seien insgesamt 7.400 zusätzliche Flüge begleitet worden.

Schienenverkehr

Alle Spielorte waren an das ICE-/IC-Netz der DB AG angebunden. Die Fahrzeiten zwischen den Städten sind in den letzten Jahren deutlich verkürzt worden, S-Bahnhöfe, Regionalbahnhöfe, U-Bahnhöfe und Haltepunkte ausgebaut und modernisiert. In Berlin wurde kurz vor der WM Europas größter Kreuzungsbahnhof in Betrieb genommen. Im Rahmen des Confederation-Cups konnte - trotz noch nicht überall abgeschlossener Umbaumaßnahmen - die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Verkehrs getestet werden.
Die Bahn setzte während der WM 370 zusätzliche Sonderzüge im Fernverkehr und etwa 10.000 zusätzliche Sonderzüge im Nahverkehr ein. Laut des damaligen Bahnchefs Hartmut Mehdorn beförderte die DB AG im Zuge der WM täglich zusätzlich 600.000 Menschen.
Der frühere Vorstand Personenverkehr Deutsche Bahn, Karl-Friedrich Rausch, sagte, dass viele Fans den öffentlichen Nahverkehr genutzt hätten. In München sein dies 60 - 70 Prozent, in Nürnberg 75 Prozent und in Berlin 90 Prozent gewesen. Diese Zahlen sprechen für den Erfolg des "Green Goal-Konzepts" der FIFA.


Green Goal

Erstmalig fanden im Rahmen des "Green Goal-Projekts" bei einer Fußball-WM Umweltschutzmaßnahmen Beachtung. Neben weiteren Umweltauflagen besagte die Leitlinie zum Verkehr: "Die Mobilität aller Zuschauergruppen wird während der FIFA WM 2006 (TM) möglichst umweltfreundlich und effizient gestaltet. Die Vermeidung unnötigen Verkehrs und die stärkere Verlagerung auf öffentliche Verkehrsmittel stehen genauso im Mittelpunkt der Aktivitäten wie eine effiziente und ökologische Gestaltung bestehender Verkehrssysteme."
Es wurden zum ersten Mal Kombitickets angeboten, die am Spieltag als kostenlose Fahrkarte im jeweiligen Verkehrsverbund galten. Als Wegweiser zu Bus und Bahn wurden einheitliche, intermodale Wegeleitsysteme für die An- und Abreise eingerichtet. Dabei wurden jeweils die vier FIFA-Weltsprachen Deutsch, Englisch, Französisch und Spanisch sowie die Sprachen der jeweiligen Gastländer verwendet. Das Ziel des "Green Goals", mehr als 50 Prozent der Besucher via öffentlichen Verkehrsmitteln zu den Stadien zu bringen, wurde mit Hilfe der Kombi-Tickets deutlich übertroffen.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Eventverkehr (Stand des Wissens: 15.09.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?287768
Weiterführende Literatur
[MüHa06] Mühl, Markus, Hambuch, Jürgen, Siggelkow, Thorsten Fit für die Weltmeisterschaft, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 5/2006, Alba Fachverlag GmbH & Co. KG; Düsseldorf, 2006, ISBN/ISSN 0722-8287
[KnBi06] Knote, Thoralf, Bihn, Friedhelm Fußball-Weltmeisterschaft: Nichts geht ohne Busse und Bahnen, Ausgabe/Auflage 5/2006, Alba Fachverlag GmbH & Co. KG; Düsseldorf, 2006, ISBN/ISSN 0722-8287
[FüSe06] Fürstenberger, Gerd, Seitzinger, Elisabeth, Siegler, Bernd Gut vorbereitet zum Anpfiff, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 5/2006, Alba Fachverlag GmbH & Co. KG; Düsseldorf, 2006, ISBN/ISSN 0722-8287
[Jain06] Jain, Angela Nachhaltige Mobilitätskonzepte im Tourismus, Franz Steiner Verlag, 2006, ISBN/ISSN 3-515-08873-3
Glossar
Verkehrsfluss
Unter Verkehrsfluss versteht man die Anzahl der Fahrzeuge, die eine vordefinierte Verkehrs(quer)fläche pro Zeiteinheit durchfährt.
Verkehrsaufkommen Das Verkehrsaufkommen beschreibt die Anzahl der zurückgelegten Wege, beförderten Personen oder Güter pro Zeiteinheit. Im Unterschied dazu bezieht sich das spezifische Verkehrsaufkommen auf zurückgelegte Wege und beschreibt die mittlere Anzahl der Ortsveränderungen pro Person und Zeiteinheit.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?162549

Gedruckt am Dienstag, 16. April 2024 13:00:15