Kapazitätserweiterung durch Kenntnis über Verhalten und Einfluss von Wirbelschleppen
Erstellt am: 17.08.2005 | Stand des Wissens: 23.10.2018
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TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Als direkte Konsequenz der Auftriebsentstehung resultieren an den Tragflächen zwei gegenläufig rotierende Wirbel. Diese sogenannten Wirbelschleppen induzieren ein erhöhtes Gefahrenpotenzial für nachfolgende Luftfahrzeuge. Aus diesem Grund sind zu der allgemein geltenden Radarstaffelung zusätzliche Sicherheitsabstände vorgeschrieben, welche die An- und Abflugkapazität weiter beschränken (vgl. dazu: Verringerung der Wirbelschleppen).
Die derzeit nach ICAO geltenden Wirbelschleppenmindeststaffelungen sind empirisch ermittelt worden und richten sich nach Gewichtsklassen, basierend auf der Maximalen Abflugmasse (englisch Maximum Take Off Mass - MTOM) des zu kategorisierenden Flugzeugs.
Die derzeit nach ICAO geltenden Wirbelschleppenmindeststaffelungen sind empirisch ermittelt worden und richten sich nach Gewichtsklassen, basierend auf der Maximalen Abflugmasse (englisch Maximum Take Off Mass - MTOM) des zu kategorisierenden Flugzeugs.

Für eine sichere Reduktion der Wirbelschleppenstaffelungen im Endanflug ist eine verlässliche Beurteilung erforderlich, bis zu welcher Entfernung ein nachfolgendes Flugzeug auf seinen Vorgänger auffliegen darf, ohne eigene Gefährdung durch die vom vorausfliegenden Luftfahrzeug (LFZ) verursachten Wirbelschleppen. Diese Verkürzung der Staffelungsabstände kann direkt dazu beitragen, die Kapazität eines Flughafens zu steigern. Verschiedene Organisationen entwickeln Systeme, die eine Reduzierung der Wirbelschleppenstaffelung erlauben. Diese Systeme lassen sich grob in folgende Gruppen unterteilen:
(1) Verbesserung von Ortung und Navigation
Die Wirbelschleppen landender Flugzeuge emittieren ein schwaches Geräusch, dessen Frequenzspektren mit dem Flugzeugtyp variieren. Auf diesen Beobachtungen basierend, wurde bspw. vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrttechnik (DLR) der Einsatz eines Mikrofon-Arrays als Ergänzung zum Standardmessverfahren LIDAR (Light Detection and Ranging) in Überflugmessungen vorgeschlagen. Zweck der Untersuchung war, das Potenzial des Schalls zur Charakterisierung und Lokalisierung von Wirbelschleppen bestimmen zu können. Die Funktionsfähigkeit der Mikrofon-Array-Technik konnte in mehreren Messkampagnen demonstriert werden.
Definierte Gefährdungsräume dienen zur Einschätzung der Gefährdung beim Einfliegen in Wirbelschleppen. Bei Navigation innerhalb dieser Zonen ist ein sicherer und ungestörter Flugbetrieb möglich. Außerhalb dieses Gefährdungsraumes sind sämtliche Auswirkungen der Wirbel unkritisch. Darüber hinaus ist das Gefährdungsraumkonzept aufgrund parametrisierter Eingangsgrößen universell auf verschiedene Flugzeugtypen anwendbar. Dementsprechend entwickelte das DLR ein Wirbelschleppenvorhersage- und -beobachtungssystem (WSVBS) für die Bestimmung dynamischer Staffelungsabstände.

(2) Fliegen außerhalb der Gefährdungszone
Erkennungssysteme für Gefährdungszonen durch Wirbelschleppen ermöglichen ein rechtzeitiges Umfliegen solcher Gefahrenzonen anhand von Sink-/Steigvorgängen und lassen reduzierte Abstände zu. Ein weiterer Kapazitätsgewinn wäre die Kenntnis des Risikos über den Einflug in die Wirbelschleppe bzw. über die Auswirkungen eines solchen Einfluges [BauTo04].
Um die Gefährdung beim Einfliegen in Wirbelschleppen beurteilen zu können, wird mit einem hierfür am DLR (Institut für Flugsystemtechnik) entwickelten Simulationssystem (SHAPe - Simplified Hazard Area Prediction) zur Bestimmung des Gefährdungsraumes, den eine Wirbelschleppe umgibt, die Flugzeugreaktion ermittelt. Die Definition des Gefährdungsraumes ermöglicht die Bestimmung der jeweils erforderlichen Mindestabstände zum vorausfliegenden Luftfahrzeug, um ein sicheres Passieren der Wirbelströmungen zu gewährleisten [SchwHa03].
(3) Erfassung und Verarbeitung von Wetterdaten
Wirbelschleppen sind unter normalen Bedingungen nicht sichtbar. Daher gehören zu den kapazitätserweiternden Maßnahmen auch Wirbelschleppen-Erkennungssysteme, die wiederum in boden- und bordgestützte Systeme unterteilt werden können. Beim DLR wurde bspw. ein verbessertes Wirbelschleppenvorhersage- und Beobachtungssystem (WSVBS) entwickelt, das dem Flugverkehrsmanagement erlaubt, Paarung und Abstand landender Flugzeuge je nach Prognose des Wirbelverhaltens dynamisch anzupassen.
Prognostizierte Verläufe von Wirbelschleppen basieren auf lokal um den Flughafen räumlichen und zeitlich hochauflösenden Wettervorhersagen, aus welchen Wind, Temperatur und Turbulenz als Höhenprofile abgeleitet werden. Ein Echtzeitmodell errechnet mit diesen Profilen, einschließlich der Sicherheitszuschläge, Transport und Zerfall der Wirbel. Aus den Wirbelprognosen können schließlich Vorschläge zur Flugzeugstaffelung entnommen werden, die an die Luftraumkontrolle (Air Traffic Control, ATC) eines Flughafens weitergegeben werden [HaZie04]. Dieses System wurde bereits an den Verkehrsflughäfen Frankfurt und München erfolgreich erprobt.