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Aktueller Stand der ÖPNV-Finanzierung

Erstellt am: 01.06.2005 | Stand des Wissens: 06.12.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König

Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) gehört in Deutschland zur Daseinsvorsorge. Dies bedeutet, dass staatliche Körperschaften die Bereitstellung der öffentlichen Verkehrsleistung finanzieren (siehe Abbildung 1). Der Ausbau der Infrastruktur, die Beschaffung von Fahrzeugen, die hohen Fixkosten des laufenden Betriebes und der Instandhaltung sorgen dabei für hohe Kosten. Die öffentlichen Haushalte können aufgrund ihrer allgemeinen Aufgabenverantwortung allerdings nur begrenzte Finanzmittel für die Erbringung der ÖPNV-Leistungen bereitstellen. Mangels alternativer Mobilitätsangebote nehmen daher autoorientierte Lebensstile insbesondere auf dem Land weiter zu. Das ist ein Widerspruch zur Verkehrswende. Aus dem Wunsch der Verkehrswende können bis zum Jahr 2030 Forderungen entstehen, wie beispielweise eine Verdopplung des ÖPNV am Modal-Split im Sinne der Klimaschutz-, Umweltschutz- und Effizienzziele [VMK21].
VDV_OPNV_Finanzierung_Schema.jpgAbbildung 1: Struktur der Finanzierung des ÖPNV in Deutschland [VDV17a]
Wesentlicher Bestandteil der ÖPNV-Finanzierung sind Erträge. Dabei wird unterschieden in:
  • Fahrgeldeinnahmen
  • Tarifersatzleistungen (Kostenerstattungen für die Beförderung im Ausbildungsverkehr und Ausgleichzahlungen für die Beförderung Schwerbehinderter)
Die Fahrgeldeinnahmen bilden den größten Teil der Erträge im ÖPNV. Der Anteil der Fahrgäste an der ÖPNV-Finanzierung ist zwischen den Jahren 2000 und 2018 vor allem wegen den überproportional wachsenden Fahrpreisen kontinuierlich gestiegen. Damit ist auch die Zahlungsbereitschaft für die ÖPNV-Nutzung bei den meisten Kundengruppen weitgehend ausgeschöpft [Somm21].
Die Kostenerstattung für die Beförderung im Ausbildungsverkehr bekommen die Verkehrsunternehmen gemäß Paragraph 45a Personenbeförderungsgesetz (PBefG) von den Ländern als Ausgleich, um die Einnahmeausfälle durch vergünstigte Zeitfahrausweise für Schüler und Auszubildende zu decken.
Die Ausgleichszahlungen für die Beförderung von Schwerbehinderten sind erforderlich, da nach Paragraph 228 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) schwerbehinderte Menschen im ÖPNV kostenlos befördert werden. Hierfür steht den befördernden Unternehmen ein Anspruch auf Erstattung der Fahrgeldeinnahmen nach Paragraph 231 SGB IX zu. Die Ausgleichszahlungen werden vom Bund an die Länder geleistet.

Im Schienenpersonennahverkehr (SPNV) sind entweder die Länder selbst oder die in den jeweiligen Landesgesetzen genannten Aufgabenträger für die ÖPNV-Finanzierung zuständig. Im straßengebundenen ÖPNV (zum Beispiel Busse und Straßenbahnen) sind die Aufgabenträger hingegen die Städte, Gemeinden oder Landkreise, die sich wiederum freiwillig in Verbünden zusammenschließen können.
EY_OPNV_Finanzierung_Entwicklung_2005_2018.jpgAbbildung 2: Entwicklung der ÖPNV-Finanzierung in Deutschland 2005 bis 2018 [FOPS-EY21]
Für die ÖPNV-Finanzierung (siehe Abbildung 2) spielen vor allem zwei Gesetze eine wichtige Rolle. Sie bilden die Grundlage für die den Ländern vom Bund zur Verfügung gestellten Finanzmittel:
  • Regionalisierungsgesetz (RegG)
  • Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG)
Die im Regionalisierungsgesetz vom Bund festgelegten Regionalisierungsmittel wurden zuletzt 2020 deutlich angehoben [RegG20]. Die Länder können die Regionalisierungsmittel neben der Bestellung von SPNV-Verkehrsleistungen auch zum Beispiel zur Finanzierung der Infrastruktur, für Fahrzeuginvestitionen oder Leistungen im straßengebundenen ÖPNV verwenden. Von den Regionalisierungsmitteln müssen jedoch die Länder knapp 50 Prozent an die Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) für die Nutzung der Infrastruktur weiterleiten [BNA21].
Mit dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz fördert der Bund seit 1971 anteilig Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden. Auch diese Finanzmittel wurden ab 2020 deutlich erhöht [GVFG20], was teilweise die bisherigen Finanzierungsdefizite gemindert hat. Aus diesen Mitteln können ÖPNV-Vorhaben und Vorhaben bundeseigener Eisenbahnen und nichtbundeseigener Eisenbahnen in Verdichtungsräumen oder den zugehörigen Randgebieten finanziert werden [FGSV20].
Die genannten Finanzmittel werden trotz Aufstockungen jedoch kaum ausreichen, den ermittelten Infrastrukturfehlbetrag für Neu-, Aus- und Ersatzbauten zügig zur Erreichung der Klima- und Umweltschutzziele aufzuholen. Daher wird gefordert, dass sich der Bund auch in Zukunft bei der Finanzierung des ÖPNV stärker engagieren muss [VDV21]. Die bisherigen Instrumente müssen weiterentwickelt werden. Weitere Maßnahmen mit Anreiz- und Lenkungswirkungen zugunsten des ÖPNV können zu der erforderlichen Aufstockung der ÖPNV-Finanzierung beitragen.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Zukünftige Finanzierung des ÖPNV (Stand des Wissens: 06.12.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?218979
Literatur
[BNA21] Marktuntersuchung Eisenbahnen 2020, Bundesnetzagentur, Bonn, 2021/01
[FGSV20] Lothar H. Fiedler, Carsten Sommer, Oliver Dümmler, Ulrich-Karl Engel, Jürgen Gies, Stefan Groer, Franz Lambrecht, Thomas Petersen, Jochen Sauer, Gregor Waluga, Michael Wendt, Meinhard Zistel Hinweise zur Einführung und Anwendung neuer Finanzierungsinstrumente im ÖPNV, Ausgabe/Auflage 2020, FGSV-Verlag, Köln, 2020
[FOPS-EY21] 8. Bericht über die Entwicklung der Kostendeckung im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und die Finanzleistungen der öffentlichen Hand für den ÖPNV, 2021/02/26
[GVFG20] Zusätzliche Milliardenhilfen für den ÖPNV, Bundesregierung, Berlin, 2020/03/18
[RegG20] Mehr Mittel für attraktiven Nahverkehr, Bundesregierung, Berlin, 2020/03/18
[Somm21] Carsten Sommer Künftige Modelle für
Finanzierung und Organisation des ÖPNV, 2021/01/31
[VDV17a] Meinhard Zistel, Annika Stienen Fördermittel für den öffentlichen Verkehr, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Köln, 2017/07
[VDV21] Künftige Modelle für Finanzierung und Organisation des ÖPNV, Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V (VDV), Köln , 2021/01/13
[VMK21] Finanzierung der Ausbauziele für den ÖPNV durch Bund, Länder und Kommunen, Verkehrsministerkonferenz, Videokonferenz, 2021/04/16
Glossar
Eisenbahninfrastrukturunternehmen Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) ist ein Rechtsbegriff des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG). Gemäß § 2 Abs. 1 AEG sind Eisenbahninfrastrukturunternehmen öffentliche Einrichtungen oder privatrechtlich organisierte Unternehmen die eine Eisenbahninfrastruktur betreiben.
Aufgabenträger
Aufgabenträger bestellen bei den Verkehrsunternehmen die im Rahmen der Daseinsvorsorge gewünschten Nahverkehrsleistungen. Dabei gibt es Unterschiede zwischen dem Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und dem straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).
Im SPNV sind seit Bahnreform und ÖPNV-Regionalisierung im Jahr 1995/96 anstelle des Bundes die Länder für die Planung, Organisierung und Finanzierung verantwortlich. In einigen Ländern sind die Aufgabenträger für das gesamte Land zuständig, wie in Bayern, in anderen betreuen sie regional abgegrenzte Gebiete, wie in Nordrhein-Westfalen. Teilweise wird die Aufgabenträgerschaft den Verkehrsverbünden zugewiesen, wie in Hessen.
Die Aufgabenträgerfunktion für den straßengebundenen ÖPNV ist den Landkreisen oder kreisfreien Städten zugeordnet.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Verkehrswende
Mit der Verkehrswende in Deutschland wird das Ziel verfolgt, den Verkehrssektor bis spätestens 2050 klimaneutral zu gestalten. Dazu sollen die anfallenden Treibhausgasemissionen möglichst vollständig vermieden und verbleibende Restemissionen durch die Entnahme von Treibhausgasen aus der Atmosphäre ausgeglichen werden. Die Verkehrswende lässt sich in zwei parallellaufende Entwicklungen gliedern: die Mobilitätswende und die Energiewende im Verkehr (auch Antriebswende genannt).
Schienenpersonennahverkehr
Gemäß Regionalisierungsgesetz (RegG) § 2 handelt es sich bei einer auf der Schiene erbrachten Beförderungsdienstleistung um ein Angebot des Nahverkehrs, "wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle [...] die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt" [RegG, § 2]. Zur Erfüllung der Daseinsvorsorge wird der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) von den Ländern bestellt und unterstützt. Der SPNV ist eine Sonderform des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Der ÖPNV ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert, der SPNV zusätzlich noch im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG).
Personenbeförderungsgesetz
Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) regelt die entgeltliche oder geschäftsmäßige Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Oberleitungsbussen (Obussen) oder Kraftfahrzeugen im Linien- und Gelegenheitsverkehr. Die Novelle des PBefG schafft einen Rechtsrahmen für neue digitale Mobilitätsangebote und berücksichtigt stärker die Belange des Klimaschutzes, der Verkehrseffizienz und die Erreichbarkeit im Sinne gleichwertiger Lebensverhältnisse. Des Weiteren sind im PBefG Vorgaben zur Wahrung von sozialen Standards zugunsten der Beschäftigten verankert.
Eisenbahninfrastrukturunternehmen
Zur Erhaltung des Schienennetzes zählen Maßnahmen zur Instandhaltung und für die Durchführung von Ersatzinvestitionen. Grundsätzlich tragen die Eisenbahninfrastrukturunternehmen die dabei anfallenden Kosten, werden aber nach der LuFV vom Bund mit einem bestimmten Betrag jährlich unterstützt.
GVFG GFVG ist die Abkürzung von "Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz". Der ausführliche Gesetzestitel lautet: "Die Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinde" Im Rahmen des GVFG fördert der Bund Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden. Der Umfang der Bundesmittel ist gesetzlich auf 1.667 Millionen Euro jährlich begrenzt. Die Mittel werden nach einem Schlüssel auf die Länder verteilt. Förderbereiche des GVFG sind:
  • der kommunale Straßenbau (insbesondere Bau und Ausbau verkehrswichtiger innerörtlicher Straßen und Zubringerstraßen zum überörtlichen Verkehrsnetz, Omnibusspuren, Verkehrsleitsysteme, Kreuzungsmaßnahmen im Bereich von Eisenbahnen und Bundeswasserstraßen)
und
  • der öffentliche Personennahverkehr (insbesondere Bau und Ausbau von Straßen-, Hoch- , Untergrundbahnen. Nichtbundeseigenen Eisenbahnen, zentrale Omnibusbahnhöfe, Betriebsleitsysteme)
Über die Verwendung der Mittel werden Berichte erstellt. Quellen:
  • Gesetzestext
  • www.bmvbs.de/Verkehr/Oeffentlicher-Personennahverke-,1493/Gemeindeverkehrs-finanzierung.htm [dieser Link muss in die Adresszeile des Browsers kopiert werden]
Verkehrsleistung
Die Verkehrsleistung gibt Auskunft über die Inanspruchnahme von Ressourcen. Als Verkehrsleistung wird die auf eine Zeiteinheit t (zum Beispiel ein Jahr) bezogene Verkehrsarbeit definiert und als Quotient dargestellt. Die Verkehrsarbeit wird dabei als Produkt von Verkehrseinheiten (zum Beispiel Güter oder Personen) und der durch diese zurückgelegten Strecke gebildet. In der Verkehrswissenschaft sind die Einheiten Personenkilometer pro Jahr [Pkm/a] oder Tonnenkilometer pro Jahr [tkm/a] gebräuchlich.
Instandhaltung
Im Kontext des Erhaltungsmanagements bezeichnen die Begriffe "Instandhaltung" und "bauliche Unterhaltung" bauliche Maßnahmen kleineren Umfangs zur Substanzerhaltung von Verkehrsflächen, die mit geringem Aufwand in der Regel sofort nach Auftreten eines örtlich begrenzten Schadens ausgeführt werden.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?147374

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 23:13:25