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Richtungsbandbetrieb im Regionalverkehr auf dem Lande

Erstellt am: 26.09.2002 | Stand des Wissens: 21.10.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König

Der Richtungsbandbetrieb entwickelt sich zu einer wesentlichen Betriebsform des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) besonders in der Region. Er verbindet die Vorteile des Linienbetriebs, insbesondere den vorab festgelegten und veröffentlichten Linienweg sowie ein festes Fahrplangerüst, mit dem Vorteil des Flächenbetriebs, wenig genutzte Zugangsstellen nur bei Bedarf anzusteuern. Für alle Haltestellen werden Abfahrtszeiten vorab festgelegt und veröffentlicht. Stark genutzte Zugangsstellen werden zu oder kurz nach diesen Zeiten immer angefahren, die übrigen bei Bedarf.

Der Richtungsbandbetrieb bedient gerichtete Fahrgastströme, die sich nicht ausschließlich auf einer Verkehrsachse bündeln, sondern innerhalb eines Korridors oder Sektors verlaufen. Fest bedient werden sollten Zugangsstellen mit einer Anfahrwahrscheinlichkeit von mehr als 70% ... 80% [Frie94]. Im Gegensatz zum Flächenbetrieb ist die Bedienungsreihenfolge der Haltestellen festgelegt und es bestehen feste Umläufe. Entsprechend der Fahrtwünsche ergeben sich jedoch unterschiedliche Routen, wobei die Haltestellen auf dem kürzesten Wege angefahren werden.
Das Richtungsband entspricht den Nachfragestrukturen im Umfeld einer Verkehrsachse auf dem Lande am ehesten und hat deshalb im Regionalverkehr eine große Bedeutung.
Es kann aus den vier nachstehenden Grundformen gebildet werden (Abb. 1):
/servlet/is/13501/Richtungsband_a.jpg
/servlet/is/13501/Richtungsband_b.jpgAbb. 1: Grundformen für Richtungsbänder


Bei der Linienabweichung existiert eine Stammroute mit fest bedienten Zugangsstellen, von der bei Bedarf über Schleifen oder Stichfahrten abgewichen wird. Fest bedient werden neben der Anfangs- und der Endhaltestelle des Richtungsbandes nur Orte mit hoher Verkehrsnachfrage sowie solche, die das Fahrzeug aufgrund der Infrastruktur zwangsläufig berührt. Die Linienabweichung ist zu empfehlen, wenn im Umfeld eines Siedlungsbandes entlang einer zentralen Verkehrsachse kleinere Siedlungen oder temporäre Aufkommenspunkte, wie Krankenhäuser oder Gewerbegebiete, existieren. Im Vergleich zum konventionellen Linienbetrieb sind insgesamt weniger Umwege nötig, Einsatzzeit und Laufleistung der Fahrzeuge sinken, Qualität und Wirtschaftlichkeit steigen.

Die Linienaufweitung kombiniert eine Linie in der Nähe einer oder beider Endstellen mit bedarfsabhängiger flächiger Bedienung von Orten mit geringer Nachfrage. Die Linienaufweitung ist zu empfehlen, wenn im Umfeld eines Endpunktes einer direkten Linie kleinere Siedlungen existieren, die ohne Umsteigen erreichbar sein sollen. Im Vergleich zum konventionellen Linienbetrieb sinken Einsatzzeit und Laufleistung der Fahrzeuge, Qualität und Wirtschaftlichkeit können steigen.

Bei einem Korridor-Richtungsband werden mindestens die meist in zentralen Orten liegende Anfangs- und Endhaltestelle eines bandförmigen Bedienungsraumes - des Korridors - fest bedient. Zugangsstellen dazwischen werden in der Regel nur auf Wunsch angefahren. Im Interesse minimaler Umwege muss das Straßennetz im Korridor möglichst viele Verbindungen aufweisen. Ein Korridor-Richtungsband ist zu empfehlen, wenn sich innerhalb des Bedienungsraumes nur Orte mit schwacher Verkehrsnachfrage befinden, deren Verkehrsströme hauptsächlich auf die zentralen Orte gerichtet sind. In der Praxis lassen sich häufig zwei parallel verlaufende Linien mit geringer Nachfrage zu einem Korridor-Richtungsband zusammenfassen. Da zwischen Ausgangs- und Zielort in der Regel keine weiteren Fixpunkte liegen, ist die Flächentiefe gegenüber der Linienabweichung wesentlich größer. Im Vergleich zum konventionellen Linienbetrieb sinken die Zahl benötigter Fahrzeuge sowie Einsatzzeit- und Laufleistungssumme, in der Regel steigt die Wirtschaftlichkeit.

Ein Sektor-Richtungsband entsteht, wenn nur eine Zugangstelle, in der Regel der Verknüpfungspunkt zu einem Linienverkehrsmittel, fest und alle übrigen bedarfsorientiert bedient werden. Es kann empfohlen werden, wenn die Verkehrsbeziehungen eines abseits gelegenen Gebietes hauptsächlich auf einen Punkt ausgerichtet sind. Mit dem Ziel einer höheren Qualität für die Mehrzahl der Kunden durch deutlich kürzere Beförderungszeiten kann es auch zum Ergänzen direkt geführter Linien genutzt werden.

Letztlich bestimmen strukturelle, topographische und wirtschaftliche Gegebenheiten des Bedienungsraumes die Größe des Richtungsbandes und die Auswahl und Kombination seiner Formen.

Aus Kundensicht positiv zu bewerten ist die Möglichkeit, im Richtungsbandbetrieb zu nachfrageschwachen Zeiten die Bedienung - wenn auch zum Teil eingeschränkt durch Bedarfshaltestellen - aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus gelten die Tarife des konventionellen Linienbetriebes. Als nachteilig anzusehen ist der Anmeldezwang an Bedarfshaltestellen. Zudem ist eine zeitlich exakte Bedienung der Zugangsstellen nicht immer möglich. Gegebenenfalls müssen längere Haltezeiten an den festen Haltestellen oder geringfügige Verspätungen in Kauf genommen werden.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Differenzierte Bedienung auf dem Lande (Stand des Wissens: 26.10.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?14413
Literatur
[Frie94] Friedrich, Markus Rechnergestütztes Entwurfsverfahren für den ÖPNV im ländlichen Raum, veröffentlicht in Schriftenreihe des Lehrstuhls für Verkehrs- und Stadtplanung der TU München, Ausgabe/Auflage Heft 5, München, 1994
Glossar
Zugumlauf
Der Zugumlauf beschreibt das vollständige Abfahren eines festen Streckenzyklus (Kursverlauf, Haltepunkte etc.) im Rahmen des Fahrplanbetriebs. Die Dauer des Zugumlaufs ist nicht auf einen Kalendertag begrenzt, sondern kann auch längere Zeit in Anspruch nehmen.
Knotenpunkt
Ein Knotenpunkt im Verkehr ist ein Ort, bei dem sich mehrere Verkehrswege gleicher Art kreuzen oder ein Verkehrsweg in einen Verkehrsweg gleicher Art einmündet. In einem Verkehrsknotenpunkt befinden sich mehrere Verkehrsknoten von Verkehrswegen unterschiedlicher Art in unmittelbarer Nähe. In einem Verknüpfungspunkt kann der Übergang zwischen Fahrzeugen eines Verkehrssystems oder zweier verschiedener Verkehrssysteme erfolgen.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?13501

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 10:30:51