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Biometrische Kontrollen im Luftverkehr

Erstellt am: 08.02.2005 | Stand des Wissens: 30.11.2018
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Eine Entwicklungstendenz bei der Personenkontrolle ist die Biometrische Authentifikation: das automatische Erkennen von Personen anhand von Körpermerkmalen durch einen Vergleich mit hinterlegten biometrischen Daten [Gerd06]. Jeder Mensch verfügt über Eigenschaften, die mit biometrischen Merkmalen dargestellt werden können. Dabei ist zwischen passiven und aktiven Eigenschaften zu unterscheiden. Zu den Passiven zählen körperliche Merkmale wie Finger, Gesicht, Iris, Retina und Hand. Die aktiven Eigenschaften umfassen Bewegungen und Verhaltensmuster wie den Gang und die Schreibdynamik. Die biometrischen Merkmale müssen folgende Anforderungen erfüllen, damit die eindeutige Identifizierung gewährleistet werden kann [MaPr07]:
  • Universalität: Das Merkmal muss zur Erfassung und Systemnutzung jeder Mensch aufweisen,
  • Einzigartigkeit: Die Merkmalausprägung muss zur Unterscheidung von Individuen einmalig sein,
  • Beständigkeit: Das Merkmal darf sich nicht ändern, damit das Verfahren weiterhin gültig ist,
  • Erfassbarkeit: Das Merkmal muss für anschließende Messungen vom System erfasst werden können.
Es wird zwischen aktiver (durch Mitwirkung des Nutzers) und passiver Erfassung (im Vorbeigehen) bei der Aufnahme biometrischer Daten unterschieden [Gerd06]. Für die Anwendung dieser Daten müssen folgende Komponenten vorhanden sein [MaPr07]:
  • Sensor: Aufnahme des Merkmals,
  • Verarbeitungseinheit: Die vom Sensor eingehenden Informationen werden extrahiert und für den Vergleichsvorgang bearbeitet,
  • Vergleicher (Matching): Der bearbeitete Datensatz wird mit Datensätzen in der Datenbank verglichen,
  • Ausgabeeinheit: Mitteilung über Identifizierung und Autorisierung der Person durch Datensatz,
  • Datenbank: Speichern der komprimierten, biometrischen Benutzerdaten.
Zu den Basisfunktionen - den Phasen, die bei jeder Benutzung durchlaufen werden - zählen [zkise:342510]:
  • Enrollment: Registrierung der Person im System, Berechnung eines reduzierten Datensatzes (Template) mittels Algorithmus und anschließender Komprimierung aus Kapazitäts- und Sicherheitsgründen,
  • Verifikation: 1:1-Vergleich zur Feststellung, ob der Benutzer der registrierten Person entspricht - dezentrale Speicherung biometrischer Personenmerkmale,
  • Identifikation: 1:n-Vergleich - Identität der Person wird mit in einer Datenbank gespeicherten Identitäten verglichen. Zusammen mit der Verifikation wird die Identität eines Nutzers ermittelt.
Abbildung 1: Systemarchitektur eines biometrischen Systems [MaPr07]

Biometrische Verfahren als Ersatz oder zumindest Ergänzung zu herkömmlichen Zugangskontrollsystemen wie Chipkarte und Passwort sind heute Stand der Technik. Zu den Methoden der biometrischen Zugangskontrollen zählen [Gerd06]:
Handgeometrie:
  • vorteilhaft sind die einfache Benutzbarkeit und der geringe Speicherbedarf,
  • als nachteilig wirkt sich aus: die Nichteignung für Hochsicherheitsanwendungen, geringe Konstanz, kontaktbehafteter Sensor (Hygiene), Abhängigkeit der FRR (False Rejection Rate) vom Alter, Verletzungen und Verschmutzungen sowie relativ große Einheiten,
  • INS Passenger Accelerated Service System (INSPASS) (bis 2002).
Fingerprint Scan:
  • vorteilhaft ist die gute Messbarkeit, zeitliche Konstante, Eignung für Hochsicherheitsanwendungen, geringer Speicherbedarf sowie unterschiedlicher Fingerabdruck bei jedem Menschen,
  • als nachteilig wirkt sich aus, dass etwa 2% keine Fingerabdrücke wg. Alter, Krankheit o.ä. abgeben können, da Assoziation mit Verbrechen besteht geringe Akzeptanz, FRR abhängig vom Geschlecht (weibliche Personen haben kleinere Finger) und scheinbar abhängig vom Alter sowie hygienische Vorbehalte.
Abbildung 2: Verfahren beim Fingerprint Scan [Gerd06]

Iris Scan:
  • vorteilhaft ist die hohe zeitliche Konstanz, einfache Messbarkeit, berührungsloser Sensor, geringe FRR und FAR (False Acceptance Rate) und dass sie bei jedem Menschen unterschiedlich ist,
  • als nachteilig wirkt sich aus, dass das System abhängig von der Beleuchtung ist (Pupillenweite), Erfassung für Sehbehinderte schwierig ist und die Systeme für alle Körpergrößen und Rollstuhlfahrer nicht ausgelegt sind, geringe Akzeptanz, hohe Kosten und Nutzbeteiligung notwendig.
Abbildung 3: Verfahren beim Iris Scan [Gerd06]

Gesichtserkennung:
  • vorteilhaft sind die relativ geringen Kosten, einfache Bedienung, sehr gute Erfassungsleistung und der kontaktlose Sensor,
  • als nachteilig wirkt sich aus: die geringe Konstanz, Systemzuverlässigkeit, nicht ausreichende Sicherheit (FAR) für Hochsicherheitsanwendungen, relativ großer Speicherplatzbedarf und die Nutzerbeteiligung,
  • Ansätze zur Gesichtserkennung: Template Matching, Hautfarbenerkennung, Elastic Bunch Graph Matching, Eigenface, 3D-Bild-Generierung,
  • Biometrischer Reisepass (Anwendungsbeispiel): Mit der Verordnung (EG) Nr. 2252/2004 [EG04] erfolgt die schrittweise Einführung von Gesichtsbildern und digitalen Fingerabdrücken in den EU-Reisepässen. Der Missbrauch von Pässen soll mit den Eigenschaften biometrischer Merkmale wie Einzigartigkeit, Unveränderbarkeit und Personenbindung erschwert und die Grenzsicherheit verbessert werden. Als problematisch gilt, dass weder das Europäische Parlament noch die Parlamente der Mitgliedstaaten über Notwendigkeit und Umsetzungsverfahren entschieden haben, sodass Standards in einem grundrechtsrelevanten Bereich gelten, die keiner parlamentarischen Kontrolle unterzogen wurden - weder national noch international [Pall07].
Die EU-Richtlinie 95/46/EC [EG04] über den Schutz der Persönlichkeitsrechte bei der Erfassung und Verbreitung von Personendaten liefert den rechtlichen Rahmen für den Umsetzungsspielraum von biometrischen Kontrollsystemen. Über die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO oder internationale Normstellen wie die International Standardisation Organisation ISO sind die Vereinheitlichungen zu betreiben. Nur bei einer Durchsetzung international standardisierter, maschinenlesbarer Reisedokumente können diese Verfahren wirksam eingesetzt werden [ACI04a]. Die Systeme müssen so konzipiert sein, dass sie die Bewegung der Passagierströme nicht übermäßig behindern. Weitere Voraussetzung ist auch die zuverlässige Arbeitsweise der Systeme. Ihre Verlässlichkeit und die Einsatzmöglichkeiten wurden anfänglich überzeichnet [ACI04a].

Im öffentlichen Umfeld werden weltweit Projekte zu automatisierten, Biometrie gestützten Grenzkontrollen (ABG) realisiert. Ein Beispiel ist das automatisierte Grenzkontrollsystem EasyPASS, welches an höherfrequentierten Flughäfen in Deutschland, wie in Frankfurt am Main, München, Berlin, Düsseldorf, Köln/Bonn und Hamburg neben der manuellen Passkontrolle eingesetzt wird. In diesen zusätzlichen Spuren, den sogenannten eGates, erfolgt die Identifikation mittels biometrischer Gesichtserkennung: durch Abgleich der Daten eines aufgenommenen Live-Bildes mit den auf dem Reisedokument gespeicherten Daten wird ein Passagier auf das Übereinstimmen individueller Gesichtsmerkmale überprüft. Neben einer sicheren und einfachen Handhabung soll der Grenzübertritt beschleunigt werden. Dabei ist das System für volljährige Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union, des europäischen Wirtschaftsraumes sowie der Schweiz mit einem elektronischen Reisedokument für Reisen in und aus dem Schengenraum nutzbar. Auch Passagiere aus Drittstaaten, welche am automatisierten Grenzkontrollverfahren teilnehmen, können das System mit einem elektronischen Reisepass nutzen [BP15].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Maßnahmen zur Erhöhung der Luftsicherheit (Security) (Stand des Wissens: 15.12.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?132104
Literatur
[ACI04a] k.A. ACI Europe position paper on the application of biometrics at airports, 2004/02/20
[BMI03] k.A. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben, 2003/11
[BP15] Bundespolizeipräsidium (Hrsg.) easyPASS - Die einfache, automatisierte Grenzkontrolle, 2015/04
[Gerd06] Simone Gerdesmeier Biometrische Zugangskontrollsysteme, 2006/01/11
[MaPr07] Somala Mang, Manuel Probst, Stefan Amstein A Market for Management Systems for Biometric Data, veröffentlicht in Internet Economics III, 2007
[Pall07] Ansgar Pallasky Datenschutz in Zeiten globaler Mobilität, veröffentlicht in Nomos Universitätsschriften Recht, Ausgabe/Auflage Band 497, 2007
Rechtsvorschriften
[EG04] Verordnung (EG) Nr. 2252/2004
[EGRI95] Richtlinie 95/46/EG
Glossar
ICAO
Die International Civil Aviation Organization (ICAO) ist die Internationale Zivilluftfahrtorganisation zur Vereinheitlichung und Regelung der Zivilluftfahrt durch Veröffentlichungen von Richtlinien und Empfehlungen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?130356

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 11:30:05