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Finanzierung von Verkehrsinformationen im Rahmen des Verkehrsmanagements

Erstellt am: 02.11.2004 | Stand des Wissens: 12.12.2019
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky

Ein großer Teil der Dienstleistungen des Verkehrsmanagements sind Basisdienste, die als kollektive Grundinformationen gemäß den verkehrspolitischen Rahmenbedingungen durch den Staat oder die öffentlichen Betreiber kostenlos bereitgestellt werden müssen. Sie erzielen gesamtwirtschaftlichen Nutzen, was eine Finanzierung durch die Allgemeinheit rechtfertigt [FGSV02]. Die Verkehrsinfrastruktur wird dabei größtenteils von Steueraufkommen (zwei Drittel) und der LKW-Maut (ein Drittel) finanziert. Zusätzlich gibt es weitere Mittel von der EU [BMVI19t].
Der monetarisierbare Nutzen von Verkehrsmanagement-Investitionen resultiert insbesondere aus Zeitvorteilen der Verkehrsteilnehmer sowohl im öffentlichen verkehr (reduzierte Verspätungen, optimierte Anschlüsse, Bevorrechtigung durch Lichtsignalanlagen) als auch im Individualverkehr (reduzierte Stau- und Haltezeiten) sowie aus Sicherheitsgewinnen im MIV. Bereits KiMa97 betrachtet die Einrichtung einer integrierten Verkehrsleitzentrale in Frankfurt/Main und zeigt, dass allein die erwartete Kosteneinsparung bei den Verkehrsunfällen im MIV infolge der Beeinflussung des Verkehrsablaufs das Dreifache der jährlichen Investitions- und Betriebskosten beträgt. Für die Region Halle/Leipzig leitet BMVBW00l aus dem Aufbau von Verkehrsleit- und -informationszentrale (einschließlich der damit verknüpften technischen Infrastruktur und den resultierenden Betriebskosten) ebenfalls einen deutlichen Nutzenüberschuss ab. Zudem bringt eine integrierte Verkehrssteuerung weitere, jedoch schwer monetarisierbare Vorteile mit sich. Aufgrund geringerer Schadstoff- und Lärmemissionen können gesellschaftliche Kosten wie beispielsweise umweltbedingte Gesundheits- oder Materialschäden, Ernteausfälle oder Schäden an Ökosystemen reduziert werden [UBA19o].

Eine Refinanzierung durch den Nutzer ist prinzipiell bei Mehrwertdiensten möglich, bei denen individualisierte Informationen angeboten werden. Die Bereitstellung dieser Dienste kann durch Gebietskörperschaften oder kommerzielle Anbieter erfolgen, wobei Entgeltregelungen mit dem Betreiber des Verkehrsmanagements abzustimmen sind [FGSV02].
Während die Zahlungsbereitschaft für Basisdienste gering ausfällt, entwickelt sich eine eine verstärkte Zahlungsbereitschaft für die Bereitstellung detaillierterer, qualitativ hochwertiger Informationen. Jedoch stellen mittlerweile auch entgeltlose Applikationen hochwertige Informationen zur Verfügung, was die Zahlungsbereitschaft der Nutzer weiter nach unten drückt. Zudem besteht das Problem, dass die Einnahmen an die Anbieter der Applikationen beziehungsweise Navigationsgeräte gehen und nicht ins Verkehrsmanagement investiert werden. Eine flächendeckende Finanzierung durch Endnutzer ist demnach nicht viel versprechend, sodass die Finanzierung weiterhin durch die öffentliche Hand oder Zusammenarbeit aus öffentlicher Hand und Unternehmen der Privatwirtschaft gedeckt werden muss.
Das Aufgabenfeld des Verkehrsmanagements bietet zudem erhebliche Potenziale für Private-Public-Partnerships im Bereich Investition und Betrieb [FGSV02]. Entsprechend sieht das Betreiberkonzept für die Verkehrsinformationszentrale im Raum Halle/Leipzig eine Kooperation zwischen öffentlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren mit einer entsprechend gestalteten Kostenteilung  [BMVBW00l] bzw. der unterschiedlichen Nutzung der Informationen vor.
Dennoch existieren verschiedene Ansätze des Mobility Pricing beispielsweise über Steuern (Mineralölsteuer, Kraftfahrzeugsteuer) oder auch Entgelte (Fahrkarte im Öffentlichen Personennahverkehr, Parkgebühren), die sich über die Jahre hinweg etabliert haben. Mobility Pricing umfasst laut Definition die Gesamtheit aller Instrumente, durch die der Nutzer für seine mögliche oder realisierte räumliche Mobilität im Personen- und Güterverkehr zahlen muss [Roth09] . Durch Mobility Pricing soll nicht nur der Finanzhaushalt optimiert und ein Finanzierungsansatz umgesetzt werden, zusätzlich werden zukunftsfähige, umweltschonende und stadtverträgliche Technologien über diesen Ansatz indirekt gefördert.
Boltze und Roth [BoRo08] gehen davon aus, dass Mobility Pricing Änderungen im Mobilitätsverhalten hervorrufen kann:
  • Durch Gebührenstaffelung können Spitzenlastzeiten der Nachfrage zeitlich beeinflusst werden (Beispiel: Citymaut Stockholm [Stoc06] )
  • Ziel und Fortbewegungsmittel werden beeinflusst (Beispiel: Citymaut Stockholm [506582] )
  • Räumlich differenzierte Bepreisung eine Änderung der Routenwahl bewirken.
Auf diese Art und Weise können Verbesserungspotenziale, wie eine effizientere Nutzung, geringere Überlastungen und eine Erhöhung der Reisegeschwindigkeiten im Verkehrssystem realisiert werden, was wiederum zu Synergieeffekten führt. Aufgrund des geringeren Verkehrsaufkommens wird die Gesamtverkehrsbelastung reduziert und die Aufenthaltsqualität in den Städten gesteigert.
Neben der Nutzerfinanzierung und Beteiligung der Privatwirtschaft stellen auch Werbeeinnahmen ein mögliches Finanzierungselement dar, beispielsweise auf Anzeigemedien zur dynamischen Fahrgastinformation, oder über Werbelinks im Internet. Um eine Entwertung der Verkehrsinformationen zu vermeiden, sollte eine intensive Vermischung mit Werbung unterbleiben [VDV01b] oder ist beispielsweise außerhalb geschlossener Ortschaftenteilweise verboten (vgl. §33 Straßenverkehrsordnung [StVO], um nicht von der Fahraufgabe abzulenken.

Die Arbeitsgruppe "Umsetzungsrahmenbedingungen der Leitprojekte 'Mobilität in Ballungsräumen'" [BMBF04a] hat unter anderem Finanzierungshemmnisse identifiziert, die einer Umsetzung von Konzepten oder dem dauerhaften Betrieb von Pilotanwendungen im Wege stehen:
  • Wirkung bzw. Akzeptanz durch den Nutzer kann nur abgeschätzt werden
  • Fehlen standardisierter Schnittstellen
  • Unwägbarkeit der erzielbaren Produktionszahlen und der resultierenden Stückkosten, was zu überhöhten Preisen durch die Anbieter führen kann
  • Zurückhaltung bei Kooperationspartnern bei Maßnahmen mit hohen laufenden Kosten
Gemäß Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz - GVFG [GVFG] können Länder gemäß § 1 Absatz 1 f) den Bau und Ausbau von Verkehrsleitsystemen und gemäß § 1 Absatz 4 Beschleunigungsmaßnahmen für den öffentlichen Personennahverkehr, insbesondere rechnergesteuerte Betriebsleitsysteme und technische Maßnahmen zur Steuerung von Lichtsignalanlagen durch Zuwendungen aus den Finanzhilfen des Bundes für Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden fördern.
Eigeninvestitionen von Akteuren, beispielsweise bei der Evaluation pilotartig realisierter Maßnahmen, erweisen sich nach [BMBF04a] als hilfreich und können durch Produktverbesserungen die Markteinführung beschleunigen.

Die Diskussion um die Thematik der Finanzierung von Verkehrsinformation wird in Deutschland durch unterschiedliche Gremien, wie durch die Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen FGSV begleitet. Hier beschäftigen sich beispielsweise die AG 1.1 (Grundsatzfragen der Verkehrsplanung) und AG 1.7 (Sonderfragen des Stadtverkehrs) mit den Themen des politischen, rechtlichen und finanziellen Rahmens der Verkehrsplanung oder der Förderung und Finanzierung des städtischen und regionalen Verkehrs (City-Maut, Lean Cost Transportation Planning (LCTP)).
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Literatur
[BMBF04a] Heckelsmüller, Josef , Rümenapp, Jens, Wacker, Manfred, Dipl.-Ing. Zusammenfassender Bericht - Querschnittsthema "Umsetzungsrahmenbedingungen der Leitprojekte" (Leitprojekte "Mobilität in Ballungsräumen"), Ottobrunn, Hmburg-Harburg, Ottobrunn, 2004/05
[BMVBW00l] Dr. Brenner + Münnich Ingenieurgesellschaft mbH Beratende Ingenieure VBI für Verkehrs- und Straßenwesen, Keller, Hartmut, Prof. Dr./UCB Konzept zur Nutzung von Telematiksystemen im Verkehr in Ballungsräumen am Beispiel des Ballungsraumes "Halle/Leipzig", 2000
[BMVI19t] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Fianazierung der Infrastruktur, 2019
[BoRo08] Boltze, Manfred, Roth, Nadine Einsatz von Instrumenten des Mobility Pricing zur Optimierung von Verkehr und Transport , veröffentlicht in Heureka 2008, FGSV-Verlag, 2008
[FGSV02] FGSV-Arbeitsausschuss 1.1 "Grundsatzfragen der Verkehrsplanung", FGSV-Arbeitsausschuss 1.7 "Sonderfragen des Stadtverkehrs" Verkehrsmanagement - Einsatzbereiche und Einsatzgrenzen [FGSV-Arbeitspapier Nr. 56], veröffentlicht in FGSV-Arbeitspapiere, Ausgabe/Auflage 1. , 2002
[KiMa97] Kienzler, Klaus , Maibach, Walter , Schöttler, Ulrich Integrierte Leitzentrale für Frankfurt am Main, veröffentlicht in Straßenverkehrstechnik, Ausgabe/Auflage 5, Kirschbaum-Verlag Bonn, 1997, ISBN/ISSN 0039-2219
[Roth09] Roth, Nadine Wirkungen des Mobility Pricing, 2009/05/09
[Stoc06] Stockholm Stad (Hrsg.) Evaluation of the Effects of the Stockholm Trial on Road Traffix, 2006/06
[UBA19o] Umweltbundesamt (Hrsg.) Gesellschaftliche Kosten von Umweltbelastungen, 2019/01/17
[VDV01b] Verband Deutscher Verkehrsunternehmen Telematik im ÖPNV in Deutschland / Telematics in Public Transport in Germany, Alba Fachverlag, Postfach 110150, Düsseldorf, 2001, ISBN/ISSN 3-87094-648-2
Weiterführende Literatur
[BMVBW98i] Zimmermann, Peter, Dr. Untersuchungen zur Entwicklung einer Strategie zur Markteinführung privater intermodaler Telematikdienste in Deutschland mit Umsetzungsvorschlägen, Ottobrunn, 1998
[GVFG] Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz - GVFG)
[StVO] Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
City Der in der Stadtforschung und im allgemeinen Sprachgebrauch für die Kennzeichnung des Stadtzentrums meist größerer Städte verwendete Begriff City ist nicht eindeutig, da er im Englischen eine völlig andere Bedeutung hat. Im englischen Sprachgebrauch kann der Begriff City für drei verschiedene Varianten stehen:
  1. allgemein für eine Großstadt,
  2. für eine historische Stadt mit Bischofssitz und Kathedrale,
  3. für eine Stadt mit königlicher Urkunde und zeremoniellen Privilegien.
Der deutsch Begriff der City leitet sich aus der frühen Konzentration von Bürofunktionen in der historischen City of London ab, da sich dort bereits im 18. Jahrhundert mit dem aufkommenden und rasch entfaltenden Banken- und Versicherungswesen der neue Typ des Bürohauses herausbildete, der den Prozess der Citybildung enorm beschleunigte. In erster Linie ist City ein Funktionsbegriff. Die City ist der zentralst gelegene Teilraum einer größeren Stadt mit einer räumlichen Konzentration hochrangiger zentraler Funktionen des tertiären und quartären Sektors.
GVFG GFVG ist die Abkürzung von "Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz". Der ausführliche Gesetzestitel lautet: "Die Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinde" Im Rahmen des GVFG fördert der Bund Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden. Der Umfang der Bundesmittel ist gesetzlich auf 1.667 Millionen Euro jährlich begrenzt. Die Mittel werden nach einem Schlüssel auf die Länder verteilt. Förderbereiche des GVFG sind:
  • der kommunale Straßenbau (insbesondere Bau und Ausbau verkehrswichtiger innerörtlicher Straßen und Zubringerstraßen zum überörtlichen Verkehrsnetz, Omnibusspuren, Verkehrsleitsysteme, Kreuzungsmaßnahmen im Bereich von Eisenbahnen und Bundeswasserstraßen)
und
  • der öffentliche Personennahverkehr (insbesondere Bau und Ausbau von Straßen-, Hoch- , Untergrundbahnen. Nichtbundeseigenen Eisenbahnen, zentrale Omnibusbahnhöfe, Betriebsleitsysteme)
Über die Verwendung der Mittel werden Berichte erstellt. Quellen:
  • Gesetzestext
  • www.bmvbs.de/Verkehr/Oeffentlicher-Personennahverke-,1493/Gemeindeverkehrs-finanzierung.htm [dieser Link muss in die Adresszeile des Browsers kopiert werden]
Betriebskosten
Betriebskosten sind laufende Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Erbringung von Verkehrsleistungen entstehen. Hierzu zählen zum Beispiel Aufwendungen für Energie, Personal, oder Infrastrukturnutzung.
Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz
Das 1971 in Kraft getretene Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) regelt die Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden. Gefördert werden verschiedene Baumaßnahmen von Bahnen (besonders Eisenbahnen, Straßenbahnen, Hoch- und Untergrundbahnen), wobei diese dem öffentlichen Personennahverkehr dienen müssen. Voraussetzung für die Förderung ist vor allem ein Kosten-Nutzen-Faktor über 1,0 im Rahmen der Standardisierten Bewertung.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?117847

Gedruckt am Samstag, 23. September 2023 22:41:06