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Finanzierung von Verkehrsinformationen im Rahmen des Verkehrsmanagements

Erstellt am: 02.11.2004 | Stand des Wissens: 28.10.2024

Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky

Der monetarisierbare Nutzen von Verkehrsmanagement-Maßnahmen resultiert insbesondere aus Zeitvorteilen der Verkehrsteilnehmenden sowohl im öffentlichen Verkehr (ÖV) (reduzierte Verspätungen, optimierte Anschlüsse, Bevorrechtigung durch Lichtsignalanlagen) als auch im motorisierten Individualverkehr (MIV) (reduzierte Stau- und Haltezeiten) sowie aus Sicherheitsgewinnen für alle Verkehrsteilnehmenden. [KiMa97] betrachtet die Einrichtung einer integrierten Verkehrsleitzentrale in Frankfurt/Main und zeigt, dass allein die erwartete Kosteneinsparung bei den Verkehrsunfällen im MIV infolge der Beeinflussung des Verkehrsablaufs das Dreifache der jährlichen Investitions- und Betriebskosten beträgt. Für die Region Halle/Leipzig leitet [BMVBW00l] aus dem Aufbau von Verkehrsleit- und -informationszentrale (einschließlich der damit verknüpften technischen Infrastruktur und den resultierenden Betriebskosten) ebenfalls einen deutlichen Nutzenüberschuss ab. Zudem bringt eine integrierte Verkehrssteuerung weitere, jedoch schwer monetarisierbare Vorteile mit sich. Aufgrund geringerer Schadstoff- und Lärmemissionen können gesellschaftliche Kosten wie beispielsweise umweltbedingte Gesundheits- oder Materialschäden, Ernteausfälle oder Schäden an Ökosystemen reduziert werden [UBA19o].

Ein großer Teil der Dienstleistungen des Verkehrsmanagements sind Basisdienste, die als kollektive Grundinformationen gemäß den verkehrspolitischen Rahmenbedingungen durch den Staat oder die öffentlichen Betreiber kostenlos bereitgestellt werden. Sie erzielen gesamtwirtschaftlichen Nutzen, wodurch eine Finanzierung durch die Allgemeinheit gerechtfertigt ist.
Während die Zahlungsbereitschaft der Nutzenden für Basisdienste gering ausfällt, entwickelt sich eine verstärkte Zahlungsbereitschaft für die Bereitstellung detaillierterer, qualitativ hochwertiger Informationen. Jedoch stellen mittlerweile auch entgeltlose Applikationen hochwertige Informationen zur Verfügung, sodass die Zahlungsbereitschaft der Nutzenden weiter nachlässt. Auch investieren Unternehmen hinter den entgeltlosen Applikationen ihre Einnahmen nicht ins Verkehrsmanagement. Eine flächendeckende Finanzierung von Verkehrsinformationen durch die Nutzenden ist demnach nicht vielversprechend, sodass die Finanzierung weiterhin durch die öffentliche Hand oder Zusammenarbeit aus öffentlicher Hand und Unternehmen der Privatwirtschaft gedeckt werden muss.
Das Aufgabenfeld des Verkehrsmanagements bietet zudem erhebliche Potenziale für Public-Private-Partnerships (PPP) im Bereich Investition und Betrieb. Entsprechend sieht das Betreiberkonzept für die Verkehrsinformationszentrale im Raum Halle/Leipzig eine Kooperation zwischen öffentlichen und privatwirtschaftlichen Akteuren mit einer entsprechend gestalteten Kostenteilung [BMVBW00l] beziehungsweise der unterschiedlichen Nutzung der Informationen vor.

Neben den oben beschriebenen gesamtwirtschaftlichen Nutzen, die die Maßnahmen des Verkehrsmanagements erzeugen, gibt es auch Instrumente des Mobility Pricings, bei denen direkte Abgaben die Einrichtung von Infrastrukturen und Managementmaßnahmen finanzieren.
Es existieren verschiedene Ansätze des Mobility Pricing beispielsweise über Steuern (Mineralölsteuer, Kraftfahrzeugsteuer) oder auch Entgelte (Fahrkarte im Öffentlichen Personennahverkehr, Parkgebühren), die sich über die Jahre hinweg etabliert haben. Mobility Pricing umfasst laut Definition die Gesamtheit aller Instrumente, durch die Nutzende für ihre mögliche oder realisierte räumliche Mobilität im Personen- und Güterverkehr zahlen müssen [Roth09]. Durch Mobility Pricing soll nicht nur der Finanzhaushalt optimiert und ein Finanzierungsansatz umgesetzt werden - zusätzlich werden zukunftsfähige, umweltschonende und stadtverträgliche Technologien über diesen Ansatz indirekt gefördert.
Boltze und Roth [BoRo08] gehen davon aus, dass Mobility Pricing Änderungen im Mobilitätsverhalten bewirken kann:
  • durch Gebührenstaffelung können Spitzenlastzeiten der Nachfrage zeitlich beeinflusst werden (Beispiel: Citymaut Stockholm [Stoc06])
  • Ziel und Fortbewegungsmittel werden beeinflusst (Beispiel: Citymaut Stockholm [506582]
  • Räumlich differenzierte Bepreisung eine Änderung der Routenwahl bewirken

Auf diese Art und Weise können Verbesserungspotenziale, wie eine effizientere Nutzung, geringere Überlastungen und eine Erhöhung der Reisegeschwindigkeiten im Verkehrssystem realisiert werden, was wiederum zu Synergieeffekten führt. So kann aufgrund eines geringeren Verkehrsaufkommens die Gesamtverkehrsbelastung reduziert und die Aufenthaltsqualität in den Städten gesteigert werden.
Neben der Nutzerfinanzierung und Beteiligung der Privatwirtschaft stellen auch Werbeeinnahmen ein mögliches Finanzierungselement dar, beispielsweise auf Anzeigemedien zur dynamischen Fahrgastinformation oder über Werbelinks im Internet. Um eine Entwertung der Verkehrsinformationen zu vermeiden, sollte eine intensive Vermischung mit Werbung unterbleiben [VDV01b] oder ist beispielsweise außerhalb geschlossener Ortschaften teilweise verboten (vgl. §33 Straßenverkehrsordnung [StVO]), um nicht von der Fahraufgabe abzulenken.

Nach Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz [GVFG] können Länder gemäß § 1 Absatz 1 f) den Bau und Ausbau von Verkehrsleitsystemen und gemäß § 1 Absatz 4 Beschleunigungsmaßnahmen für den öffentlichen Personennahverkehr, insbesondere rechnergesteuerte Betriebsleitsysteme und technische Maßnahmen zur Steuerung von Lichtsignalanlagen, durch Zuwendungen aus den Finanzhilfen des Bundes für Investitionen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden fördern.
Eigeninvestitionen von Akteuren, beispielsweise bei der Evaluation pilotartig realisierter Maßnahmen, erweisen sich nach [BMBF04a] als hilfreich und können durch Produktverbesserungen die Markteinführung beschleunigen.

Die Diskussion um die Thematik der Finanzierung von Verkehrsmanagement wird in Deutschland durch unterschiedliche Gremien, zum Beispiel durch die Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen (FGSV), begleitet. Hier beschäftigen sich die AG 1.1 (Grundsatzfragen der Verkehrsplanung) und AG 1.7 (Sonderfragen des Stadtverkehrs) mit den Themen des politischen, rechtlichen und finanziellen Rahmens der Verkehrsplanung oder der Förderung und Finanzierung des städtischen und regionalen Verkehrs (City-Maut, Lean Cost Transportation Planning (LCTP)).
Ansprechperson
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Sicherung der Mobilität durch Verkehrsmanagement (Stand des Wissens: 22.10.2024)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?33546
Literatur
[BMBF04a] Heckelsmüller, Josef , Rümenapp, Jens, Wacker, Manfred, Dipl.-Ing. Zusammenfassender Bericht - Querschnittsthema "Umsetzungsrahmenbedingungen der Leitprojekte" (Leitprojekte "Mobilität in Ballungsräumen"), Ottobrunn, Hmburg-Harburg, Ottobrunn, 2004/05
[BMVBW00l] BERNARD Gruppe ZT GmbH, Keller, Hartmut, Prof. Dr./UCB Konzept zur Nutzung von Telematiksystemen im Verkehr in Ballungsräumen am Beispiel des Ballungsraumes "Halle/Leipzig", 2000
[BoRo08] Boltze, Manfred, Roth, Nadine Einsatz von Instrumenten des Mobility Pricing zur Optimierung von Verkehr und Transport , veröffentlicht in Heureka 2008, FGSV-Verlag, 2008
[KiMa97] Kienzler, Klaus , Maibach, Walter , Schöttler, Ulrich Integrierte Leitzentrale für Frankfurt am Main, veröffentlicht in Straßenverkehrstechnik, Ausgabe/Auflage 5, Kirschbaum-Verlag Bonn, 1997, ISBN/ISSN 0039-2219
[Roth09] Roth, Nadine Wirkungen des Mobility Pricing, 2009/05/09
[Stoc06] Stockholm Stad (Hrsg.) Evaluation of the Effects of the Stockholm Trial on Road Traffix, 2006/06
[UBA19o] Umweltbundesamt (Hrsg.) Gesellschaftliche Kosten von Umweltbelastungen, 2019/01/17
[VDV01b] Verband Deutscher Verkehrsunternehmen Telematik im ÖPNV in Deutschland / Telematics in Public Transport in Germany, Alba Fachverlag, Postfach 110150, Düsseldorf, 2001, ISBN/ISSN 3-87094-648-2
Weiterführende Literatur
[BMVI19t] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Fianazierung der Infrastruktur, 2019
[GVFG] Gesetz über Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz - GVFG)
[StVO] Straßenverkehrs-Ordnung (StVO)
Glossar
ÖV
Der öffentliche Verkehr (ÖV) ist sowohl im Personen-, Güter- sowie Nachrichtenverkehr für jeden Nutzer in einer Volkswirtschaft öffentlich zugänglich. Dazu zählen sowohl die öffentliche Personenbeförderung, der öffentliche Gütertransport als auch die öffentlichen Telekommunikations- und Postdienste. Der ÖV wird dabei von Verkehrsunternehmen nach festgelegten Routen, Preisen und Zeiten durchgeführt. Der ÖV ist somit im Gegensatz zum Individualverkehr (IV) örtlich und zeitlich gebunden.
Vor dem Hintergrund der verkehrspolitisch geförderten Multimodalität wird der ÖV zunehmend breiter definiert, indem auch alternative Bedienformen, Taxen bis hin zu öffentlichen Fahrrädern und öffentlichen Autos als Teil eines neuen individualisierten ÖV gesehen werden.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
City Der in der Stadtforschung und im allgemeinen Sprachgebrauch für die Kennzeichnung des Stadtzentrums meist größerer Städte verwendete Begriff City ist nicht eindeutig, da er im Englischen eine völlig andere Bedeutung hat. Im englischen Sprachgebrauch kann der Begriff City für drei verschiedene Varianten stehen:
  1. allgemein für eine Großstadt,
  2. für eine historische Stadt mit Bischofssitz und Kathedrale,
  3. für eine Stadt mit königlicher Urkunde und zeremoniellen Privilegien.
Der deutsch Begriff der City leitet sich aus der frühen Konzentration von Bürofunktionen in der historischen City of London ab, da sich dort bereits im 18. Jahrhundert mit dem aufkommenden und rasch entfaltenden Banken- und Versicherungswesen der neue Typ des Bürohauses herausbildete, der den Prozess der Citybildung enorm beschleunigte. In erster Linie ist City ein Funktionsbegriff. Die City ist der zentralst gelegene Teilraum einer größeren Stadt mit einer räumlichen Konzentration hochrangiger zentraler Funktionen des tertiären und quartären Sektors.
Betriebskosten
Betriebskosten sind laufende Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Erbringung von Verkehrsleistungen entstehen. Hierzu zählen zum Beispiel Aufwendungen für Energie, Personal, oder Infrastrukturnutzung.
PPP Public Private Partnership beschreibt Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen. Normalerweise findet diese über eine Kapitalverflechtung bei den auszuführenden Projekten statt. Eine Gewinnerzielung ist durchaus erwünscht, um Anreize für das private Unternehmen zu schaffen.
Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz
Das 1971 in Kraft getretene Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) regelt die Finanzhilfen des Bundes zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden. Gefördert werden verschiedene Baumaßnahmen von Bahnen (besonders Eisenbahnen, Straßenbahnen, Hoch- und Untergrundbahnen), wobei diese dem öffentlichen Personennahverkehr dienen müssen. Voraussetzung für die Förderung ist vor allem ein Kosten-Nutzen-Faktor über 1,0 im Rahmen der Standardisierten Bewertung.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?117847

Gedruckt am Samstag, 22. Februar 2025 18:57:20