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Kooperation der Verkehrsträger im Verkehrsmanagement

Erstellt am: 22.10.2004 | Stand des Wissens: 28.10.2024

Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky

Vor dem Hintergrund komplexer, räumlich schwer abgrenzbarer Verkehrsverflechtungen und des auch künftig steigenden Verkehrsaufkommens lassen Konzepte, die nur auf einzelne Verkehrsträger beschränkte und räumlich begrenzte sind, des Verkehrsmanagements nur bedingt effiziente Wirkungen erwarten. Maßnahmen zum Verkehrsmanagement müssen vielmehr sowohl auf der regionalen als auch der intermodalen Dimension integriert werden [KoBr16]. Im Bericht "Status und Rahmenbedingungen für Intelligente Verkehrssysteme (IVS) in Deutschland" wurde daher bereits 2011 eine intermodale Integration aller Verkehrsträger sowie beteiligter Akteure gefordert [IVSB11]. Daraus resultiert das Erfordernis einer regionalen Kooperation von Kommunen und Institutionen über bisherige administrative Grenzen hinaus.
Die Ausgestaltung regionaler Kooperationen umfasst:
  • die zweckmäßige Auswahl und aktive Einbindung von Akteuren und Institutionen,
  • die organisatorische Integration (informelle oder rechtlich-institutionelle Organisationsform),
  • die funktionale Integration (Auswahl der Handlungs- und Maßnahmenfelder),
  • die Gestaltung der Zusammenarbeit und Sicherstellung der Umsetzung,
  • die technische Integration (Schnittstellen zwischen den Institutionen) und
  • die Finanzierung.

Beispiele für regionales und verkehrsträgerübergreifendes Verkehrsmanagement liefern die Regionen Rhein-Main, das Ruhrgebiet sowie die Städte Stuttgart, Berlin und Dresden [SaRie14].
Die Verknüpfung der Verkehrsträger muss nach [BMVBW98a] drei Bereiche berücksichtigen:
  • physische Verkehrssystemvernetzung - die Knotenpunkte müssen so gestaltet sein, dass sie Systemübergänge vereinfachen (Angebot von Park and Ride, geeignete physische Gestaltung durch Barrierefreiheit und kurze Wege, Anschlusssicherung zwischen unterschiedlichen Betreibern),
  • kommerziell-juristische Verkehrssystemvernetzung - insbesondere Vereinfachung der Gebührenabrechnung durch verkehrsträgerübergreifende Erhebung und stufenweise Einführung der elektronischen Tarifierung,
  • informelle Verkehrssystemvernetzung mit den Komponenten aktuelle Information und Vorhersage der Belastungszustände im Straßennetz, Informationen zu Alternativangeboten der öffentlichen Verkehrssysteme (Plan- und Echtzeitinformationen) sowie Informationen über Reiseziele der Region.
Zur Aufgabenzuordnung und Kompetenzabgrenzung sieht [BMVBW98a] ein 3-Ebenen-Modell vor:
  • Regieebene zur Festlegung der verkehrspolitischen Ziele durch Land, Region und Kommunen,
  • Konzept- und Strategieebene zur Abstimmung des integrierten Betriebs einschließlich der Vereinbarungen über Austausch, Besitz und Nutzung von Daten,
  • Betriebs- und Steuerungsebene zur Organisation der Datenerfassung und Datenhaltung in Zusammenarbeit mit den verbundenen Einrichtungen und Unternehmen.

In [KoBr16] wurden zur Lösung von Störungen im Verkehrsnetz beispielhaft Strategien und Maßnahmenpakete entwickelt, die sowohl separate Handlungsansätze für den Individual- und den öffentlichen Verkehr als auch inter- und multimodale Handlungsansätze beinhalten. So betreffen beispielsweise Überlastungen oder Engpässe im Straßennetz sowohl den motorisierten Individualverkehr (MIV) als auch den straßengeführten öffentlichen Verkehr (ÖV), woraus ein verkehrsträgerübergreifender Handlungsbedarf entsteht. Die Wirksamkeit der Handlungskonzepte wurde mittels makroskopischer und mikroskopischer Verkehrssimulationsmodelle nachgewiesen.
Nicht nur die Verknüpfung von MIV und ÖV stellt einen zentralen Baustein dar, auch die Vernetzung der Informationen des Güterverkehrs mit MIV- und ÖV-Daten sollte fokussiert werden. Dementsprechend ist es ratsam, ein Verkehrsdaten-Verbundsystem aufzubauen. Erst die Vernetzung aller Teilnehmer im Verkehrssystem ermöglicht ein ganzheitliches Verkehrsmanagement, das langfristig zur optimalen Ausnutzung der Verkehrsinfrastruktur führt [NITG14].

Auch die Kooperation verschiedener Verkehrsbetriebe untereinander stellt einen wichtigen Baustein des Verkehrsmanagements dar. In einem Bedienungsraum unkoordiniert agierende Verkehrsbetriebe können eine Zugangsbarriere zum Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) darstellen, wenn Fahrpläne nicht abgestimmt sind und Fahrkarten gegenseitig nicht anerkannt werden. Die dadurch entstehenden Brüche sind für den Kunden nicht nachvollziehbar und das System des öffentlichen Verkehrs als Ganzes ist nicht begreifbar [BMVBW03p].
Ein weiteres Beispiel für Kooperation von Verkehrsbetrieben ist die verkehrsmittelübergreifende Fahrgastlenkung, für die in [BMVBW01ad] eine Systemkonzeption erarbeitet und bewertet wurde. Die Notwendigkeit zur Fahrgastlenkung kann aus spontanen (zum Beispiel bei Unfällen) oder geplanten (zum Beispiel bei Gleisbauarbeiten, Großveranstaltungen) Betriebsstörungen im ÖV-Netz resultieren. Um eine gleichmäßige Auslastung der öffentlichen Verkehrsangebote zu erzielen und die Reisezeiten der Nutzer zu optimieren, sind in Störungsfällen alternative Fahrtmöglichkeiten zu empfehlen. Voraussetzung hierfür ist das Vorhandensein von Alternativrouten im öffentlichen Verkehrsnetz.
Ansprechperson
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Verkehrsträgerübergreifende Maßnahmen und Instrumente des Verkehrsmanagements (Stand des Wissens: 22.10.2024)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?33575
Literatur
[BMVBW01ad] Beratungsgesellschaft für Leit-, Informations- + Computertechnik mbH, Institut für Bahntechnik GmbH, Janecke, Jörn, Weber, Stefan, Nuszkiewicz, Andrzej, Busse, Jürgen Strategie für eine verkehrsmittelübergreifende Fahrgastlenkung im ÖPNV mit Hilfe vernetzter dynamischer Fahrgastinformation in Ballungsräumen, 2001/05
[BMVBW03p] Beratungsgesellschaft für Leit-, Informations- + Computertechnik mbH Realisierungsbegleitung der Integrationsschnittstelle zwischen rechnergestützten Betriebsleitsystemen für betriebsübergreifende Dispositionsmaßnahmen, 2003/10
[BMVBW98a] ISUP Ingenieurbüro für Systemberatung und Planung GmbH, Professur für Verkehrsleitsysteme und -prozessautomatisierung, TU Dresden, Franz, Peter, Dr.-Ing., Franke, Ralf, Dr.-Ing., Schubert, Rainer, Dr.-Ing., Engelmann, Ralf, Wagner, Gerold, Körner, Matthias, Grützner, K., Biesold, R., Strobel, Horst, Prof. Dr.-Ing. habil. Dr. h. c. Einsatzkonzeption für Telematiksysteme zur Einbeziehung aller Verkehrsträger in einem verkehrlich abgrenzbaren Bedienungsraum, 1998/11/30
[IVSB11] IVS-Beirat, BMVI, (Hrsg.) Status und Rahmenbedingungen für Intelligente Verkehrssysteme (IVS) in Deutschland, 2011
[KoBr16] Kollaritis, Stefan, Brocza, Ulrike Öffentliche Verkehrsmanagement-Strategien und private Mobilitätsservices: Lösungsinseln in Konkurrenz oder Synergien durch Kollaboration? , veröffentlicht in REAL CORP 2016 Proceedings/Tagungsband , 2016/06/22, ISBN/ISSN 978-3-9504173-1-9
[NITG14] Arbeitsgruppe 2 des Nationalen IT-Gipfels (AG2 "Vernetzte Anwendungen und Plattformen für die digitale Gesellschaft", UAG Intelligente Netze (Hrsg.) Nutzen und Anwendungen Intelligenter Verkehrsnetze, 2014/10
[SaRie14] Sandrock, M., Riegelhuth, G. Verkehrsmanagementzentralen in Kommunen - Eine vergleichende Darstellung, Springer Fachmedien Wiesbaden, 2014, ISBN/ISSN 978-3-658-04390-2
Weiterführende Literatur
[KrWe04] von Kretschmann, Caroline, Dr. oec. , Westermayer, Torsten Integriertes Verkehrsmanagement - Gestaltungsdimensionen und Lösungsansätze, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 7-8/2004, alba Fachverlag Düsseldorf, 2004, ISBN/ISSN 0722-8287
[Körn07a] Körner, Manfred Modernes Verkehrsmanagement - Wechselwirkungen zwischen Autobahn, Stadtstraßen und ÖPNV, veröffentlicht in Verkehr und Technik, Ausgabe/Auflage Heft 9, Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., 2007/09, ISBN/ISSN 0340 - 4536
Glossar
ÖV
Der öffentliche Verkehr (ÖV) ist sowohl im Personen-, Güter- sowie Nachrichtenverkehr für jeden Nutzer in einer Volkswirtschaft öffentlich zugänglich. Dazu zählen sowohl die öffentliche Personenbeförderung, der öffentliche Gütertransport als auch die öffentlichen Telekommunikations- und Postdienste. Der ÖV wird dabei von Verkehrsunternehmen nach festgelegten Routen, Preisen und Zeiten durchgeführt. Der ÖV ist somit im Gegensatz zum Individualverkehr (IV) örtlich und zeitlich gebunden.
Vor dem Hintergrund der verkehrspolitisch geförderten Multimodalität wird der ÖV zunehmend breiter definiert, indem auch alternative Bedienformen, Taxen bis hin zu öffentlichen Fahrrädern und öffentlichen Autos als Teil eines neuen individualisierten ÖV gesehen werden.
Barrierefreiheit
Barrierefreiheit bedeutet, dass bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
ITS Intelligent Transportation Systems (ITS) ist der Oberbegriff für Transportsysteme, die Informations- und Kommunikationstechnologie zur Unterstützung des Betriebes einsetzen. ITS-Funktionen unterstützen den Fahrer eines Transportmittels, sie sind damit deutlich von automatischen Transportsystemen zu differenzieren, die auf einen fahrerlosen Betrieb abstellen. Die wichtigsten neuen und zum Teil noch in Entwicklung befindlichen Anwendungsfelder zielen auf (1) Verkehrs- und Transportmanagement (Verkehrsinformationen, Verkehrslenkung, Verkehrs- und Parkleitsysteme, automatische Unfallmeldungen, Meldesysteme zum Gefahrgutmonitoring); (2) Elektronische Systeme zur Gebührenerhebung; (3) Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (dynamische Fahrgastinformationen, Reservierung, spezifische Informationssysteme für Fahrradfahrer und Fußgänger, Steuerung individueller öffentlicher Verkehrsmittel); (4) Systeme zur Unterstützung der Fahrzeugsicherheit (Kollisionsdetektoren, Sektorisierung von Verkehrswegen).
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?116486

Gedruckt am Sonntag, 23. Februar 2025 09:28:43