Der Einfluss von Raum- und Siedlungsstruktur auf das Verkehrsgeschehen
Erstellt am: 14.10.2004 | Stand des Wissens: 15.12.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
TU Dresden, Professur für Kommunikationswirtschaft
Raum- und Siedlungsstruktur sind eng mit dem Verkehrsaufkommen einer Stadt und dessen Entstehung verknüpft [HuWu00, S. 556]. Den alltäglichen Entscheidungen der Menschen über Ziele, Routen, Wegeketten und die dabei genutzten Verkehrsmittel gehen eine Reihe raumbedeutsamer Entscheidungen voraus. Insbesondere gehören dazu die Wahl des eigenen Wohnstandortes sowie Lage und Erreichbarkeit der aufgesuchten und potentiellen Ziele [Kutt06, S. 47]. Die Wohnstandortwahl liegt im Entscheidungsspielraum des Einzelnen. Auf die Standortentscheidungen für bestimmte Ziele, wie Arbeitsplätze, Bildungseinrichtungen, Wohnstandorte von Freunden oder Einkaufseinrichtungen hat die oder der Einzelne in der Regel keinen Einfluss [Kutt06, S. 47].
Die Standortverteilung von Aktivitäten spielt, neben individuellen Bedürfnissen und Präferenzen der Bewohner einer Stadt, eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Verkehr. Dichte, Kompaktheit und Nutzungsdurchmischung von Siedlungsstrukturen wirken sich "vor allem auf die Wegelängen aus, denn je dichter das Netz von Aktivitätsangeboten in der unmittelbaren Wohnumgebung ist, desto kleiner sind [...] die Entfernungen, die zur Ausübung dieser Aktivitäten überwunden werden müssen" [BASt96a, S. 51].
Nach [Bolt02] sind die "Länge und auch die Anzahl von Wegen" [...] "in erheblichem Maße von der Verteilung der Einwohner, Arbeitsplätze, Einkaufsgelegenheiten etc. im Raum abhängig. Je nach Lage dieser Einrichtungen, zurückzulegenden Distanzen und räumlicher Ausgestaltung der Verkehrsnetze entstehen deutliche Vor- bzw. Nachteile für die einzelnen Verkehrsmittel" [Bolt02, S. 24].
Neben sozio-demografischen Merkmalen der Verkehrsteilnehmer, dem Wegezweck und dem Verkehrsangebot haben die siedlungsstrukturellen Eigenschaften des jeweiligen Gebietes, in dem eine Fahrt stattfinden soll beziehungsweise in der eine Fahrt ihre Quelle oder ihr Ziel hat, entscheidenden Einfluss auf die Wahl des Verkehrsmittels. Dabei stehen Raumstruktur und Verkehrsangebot, insbesondere beim Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), in engem Zusammenhang. Im ländlichen Raum erreicht der ÖPNV auf Grund der Siedlungsstruktur in der Regel nur eine geringe Auslastung. Ein konzentriertes ÖPNV-Angebot ist aus ökonomischer Sicht daher oft nicht möglich [ÖVG84].
Analysen aus dem Jahr 1999 für den Raum Stuttgart haben gezeigt, dass "vor allem strukturelle Veränderungen im Bereich von Bevölkerung, Wirtschaft und Siedlungssystem" Veränderungen auf dem Verkehrssektor prägen [MeHa99, S. 26]. So führt eine zunehmende Suburbanisierung zu flächenintensiven, dispersen Siedlungsstrukturen und fördert damit ein steigendes Verkehrsaufkommen [RuR01; S. 193; Deff09, S. 27]. Auf Grund weiter Entfernungen steht vor allem die Nutzung nicht-nachhaltiger Mobilitätsformen im Vordergrund.
In der Fachwelt ist die Raum- und Siedlungsstruktur als bedeutende Determinante des Verkehrsverhaltens anerkannt. Im Kontext einer nachhaltigen Verkehrs- und Siedlungsentwicklung ist in der Literatur jedoch umstritten, ob siedlungsstrukturelle Konzepte (wie etwa das Leitbild der dezentralen Konzentration) eine Dämpfung des Wachstums der Verkehrsleistung bewirken können, ohne "dass die Teilnahme- und Austauschmöglichkeiten von Personen und Gütern beschränkt werden" [Motz02, S. V Vorwort].
Die Integrierte Raum- und Verkehrsplanung ist ein wichtiges Instrument auf regionaler und kommunaler Ebene, um sowohl Belange der Standortplanung als auch verkehrliche Belange bei Planungsprozessen in gegenseitiger Abhängigkeit zu berücksichtigen [BMVBW04l].