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Gefahrenabwehr in Seehäfen (Security)

Erstellt am: 11.10.2004 | Stand des Wissens: 13.07.2022
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. T. Blecker
Technische Universität Hamburg - Institut für Logistik und Unternehmensführung

Der hohe Anteil von Lieferungen nach den Konzepten "global sourcing" und "just-in-time" im Rahmen integrierter Logistiksysteme ermöglicht einerseits eine hocheffiziente Produktion, macht diese Systeme jedoch anfällig für bereits kurzzeitige Störungen [WiHo09, S.8]. Der Seehafen stellt einen kleinen Ausschnitt der gesamten Transportkette dar.
Da eine hundertprozentige Sicherheit vor äußeren Gefahren scheinbar unmöglich ist, wird zunehmend das Konzept einer risikobasierten Gefahrenabwehr herangezogen [ITF09, S.2].
Abbildung 1 zeigt die verschiedenen Konzepte und Rechtsakte zur Gefahrenabwehr, welche unterschiedliche Reichweiten aufweisen.
Scope-of-IMO-and-US-Security-Initiatives.pngAbbildung 1: Reichweiten von IMO und US-Sicherheitsinitiativen [OECD03c]
(Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)

Als Reaktion auf die gestiegene Gefahr terroristischer Aktivitäten wurden nach den Anschlägen vom 11.9.2001 international verbindliche Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit entwickelt und verabschiedet.
Unmittelbar nach den Anschlägen wurde als Reaktion zunächst eine umfassende Kontrolle möglicher Risiken, insbesondere von terroristischen Anschlägen angestrebt. Mittlerweile setzt sich immer mehr eine breitere Risikoauffassung und eine zusätzliche Kosten-Nutzen-Betrachtung durch, ausgehend von der Tatsache, das jede menschliche Aktivität mit gewissen Risiken verbunden ist. Insbesondere die von der US-Gesetzgebung geforderte hundert Prozentige Durchleuchtung von Containern im Abgangshafen ab dem 01.07.2014 wird als wenig effizient kritisiert.
Für die internationale Schifffahrt wurde von der International Maritime Organisation (IMO) der"International Ship and Port Facility Security" (ISPS) Code entwickelt und als Anhang zum Schiffsicherheitsübereinkommen SOLAS am 12.12.2002 beschlossen [Dab05]. Wegen dieser rechtlichen Konstruktion bezieht sich der ISPS-Code im Hafen nur auf die Schnittstelle Schiff-Hafen.
Mit der Verordnung (EG) Nr. 725/2004 [EU-VO725/2004] und insbesondere der "Richtlinie 2005/65/EG zur Erhöhung der Gefahrenabwehr in Häfen" [EU-VO65/2005] wurden die Regelungen in EU-Recht übernommen und ihre Reichweite ausgedehnt. Sie sind Teile eines wesentlich breiter gefassten Konzepts der Transportkettensicherheit, die unter anderem zur Einführung des "Zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten" im Zollkodex der EG 2005 und der "Mitteilung der Kommission über ein Europäisches Programm für den Schutz kritischer Infrastrukturen" 2006 führten.

Deutschland beschloss 2009 eine "Nationale Strategie zum Schutz kritischer Infrastrukturen" (KRITIS-Strategie), in der Transport und Verkehr als kritische Basisinfastsrukturen charakterisiert werden [BMI09].
Betreiber von Hafenanlagen müssen nach den Regelungen zur Gefahrenabwehr im ISPS-Code nachweisen:
  • eine Risikobewertung von einer anerkannten Stelle für die Gefahrenabwehr (Port Facility Security Assessment)
  • einen genehmigten Plan zur Gefahrenabwehr, der für jede Gefahrenstufe die anzuwendenden Verfahren, die zu ergreifenden Maßnahmen und die einzuleitenden Aktionen festlegt (Port Facility Security Plan)
  • einen Beauftragten für die Gefahrenabwehr im Hafen (Port Facility Security Officer (PFSO))
  • Ausbildung, Schulung und Übungen [Eggers05, EU-VO65/2005]
kreis.pngAbbildung 2: Nachhaltigkeit von Maßnahmen zum Schutz kritischer Infrastrukturen [BMI09]
Dem Verfahren liegt die Idee eines "Ständigen Risikomanagement-Kreislaufes" zugrunde. Abbildung 2 zeigt diesen, der angelehnt ist an die vier Phasen plan - do - check - act, die auch für die Umsetzung der KRITIS-Strategie angewandt werden soll.[BMI09]
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. T. Blecker
Technische Universität Hamburg - Institut für Logistik und Unternehmensführung
Literatur
[BMI09] Bundesministerium des Innern Nationale Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS-Strategie), Berlin, 2009
[Dab05] Dabels, D. Gefahrenabwehr in der Seeschifffahrt - Auswirkungen auf das Transportmittel Schiff, 2004/05/26
[Eggers05] Eggers, D. ISPS Code Hintergründe und Ziele, 2004/05/26
[ITF09] Organisation for Economic Cooperation and Development Ensuring a Secure Global Transport System, WORKSHOP 4 CONCLUSIONS, veröffentlicht in International Transport Forum 2009, Leipzig, 2009/05/27
[WiHo09] WIDDOWSON, David, HOLLOWAY, Stephen MARITIME TRANSPORT SECURITY REGULATION: POLICIES, PROBABILITIES AND PRACTICALITIES, veröffentlicht in Transport for a Global Society, Forum 2009, Leipzig, 2009/05
Weiterführende Literatur
[PaVa08] Pallis, A., A. , Vaggelas, G., K EU port and shipping security, veröffentlicht in Maritime Safety, Security and Piracy, Informa, London, 2008
[OECD03c] Crist, P. Security in maritime transport: Risk factors and economic impact, Paris, 2003/07
[EU-VO65/2005] RICHTLINIE 2005/65/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 26. Oktober 2005 zur Erhöhung der Gefahrenabwehr in Häfen
[EU-VO725/2004] VERORDNUNG (EG) Nr. 725/2004 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 31. März 2004 zur Erhöhung der Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen
Glossar
Just-In-Time "Just-In-Time" (JIT) ist ein Transportservice, bei dem die Auslieferung von Waren zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgeführt wird. Der Kunde legt vorher fest, wann und wohin die Güter geliefert werden sollen. Häufig wird JIT in der Produktions-Logistik eingesetzt, um eine produktionssynchrone Beschaffung umzusetzen. Mit diesem Prinzip lassen sich beispielsweise Zwischenlager sparen und somit Kosten senken.
Ship Security Plan Jedes Schiff auf das der ISPS -Code Anwendung findet, muss einen von der Verwaltung genehmigten Plan zur Gefahrenabwehr auf dem Schiff (SSP) an Bord mitführen. Dieser Plan beschreibt u. a. die Verfahren und Maßnahmen, die im Fall eines Angriffs durch Piraten durchzuführen sind.
Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter Ein Zugelassener Wirtschaftsbeteiligter besitzt einen besonderen Status: Er gilt als besonders zuverlässig und vertrauenswürdig und kann dafür besondere Vergünstigungen im Rahmen der Zollabfertigung in Anspruch nehmen. Ziel ist es, die internationale Lieferkette vom Hersteller bis zum Endverbraucher abzusichern. Der Status des AEO ist in allen Mitgliedstaaten der europäischen Union unbegrenzt gültig.
ISPS-Code Der "International Ship and Port Facility Security Code" (Internationales Übereinkommen für die Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen) regelt als Anlage zum internationalen Schiffssicherheitsübereinkommen SOLAS die Gefahrenabwehr auf Seeschiffen und in Seehäfen.
Transportkette
Nach DIN 30781 eine Folge von technisch und organisatorisch miteinander verknüpften Vorgängen, bei denen Personen oder Güter von einer Quelle zu einem Ziel bewegt werden, im weiteren Sinne alle Transferprozesse zwischen Quelle und Senke.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?113167

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 00:37:30