Mobilitäts- und Verkehrserziehung an Schulen
Erstellt am: 04.10.2004 | Stand des Wissens: 01.11.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Die Verwendung der Begriffe "Verkehrserziehung" und "Mobilitätserziehung" erfolgt im Rahmen des Mobilitätsmanagements an Schulen nicht einheitlich. Dennoch lassen sich auf Grundlage der geschichtlichen Entwicklung folgende unterschiedlichen Merkmale herausstellen [FlHa04]:
Der Begriff Verkehrserziehung besteht schon länger als der Begriff Mobilitätserziehung und resultiert aus den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts. Eingang in die Schule fand die Verkehrserziehung durch einen Erlass des preußischen Kultusministers aus dem Jahr 1930. In diese Zeit fiel auch die Gründung der heute noch tätigen "Deutschen Verkehrswacht", die von den Autofahrerverbänden unterstützt wurde [Spit97, S. 9 f.]. Der Autoverkehr wurde als bevorrechtigtes System betrachtet, dem sich - vor allem aus Sicherheitsaspekten - die anderen Verkehrsteilnehmer anzupassen beziehungsweise unterzuordnen haben.
Ein erweitertes Verständnis von Verkehrserziehung wurde 1972 von der Kultusministerkonferenz (KMK) beschlossen und von den meisten Bundesländern in Richtlinien und Lehrpläne integriert. Aus der Erkenntnis, dass ein ausschließlich auf Regellernen und Disziplinierung ausgerichteter Unterricht nicht ausreicht, sollte neben dem sicheren Bewegen im Straßenverkehr vor allem ein vertieftes Verkehrsverständnis bei den Kindern entwickelt werden [FlHa04; Spit97].
Die deutsche Verkehrswacht legt ebenfalls Wert auf die Entwicklung psycho-motorischer Grundlagen, wie Wahrnehmung und Bewegung [Funk06a, S. 23]. Hierzu bietet die deutsche Verkehrswacht zum Beispiel das Projekt move-it an, welches die Bewegungssicherheit fördert und somit präventiv zur Verkehrssicherheit bei Kindern im Alter von 6 bis 10 Jahren beiträgt.
Die starke Thematisierung von Umweltfragen in den 80er Jahren trug unter anderem dazu bei, dass die KMK 1994 die Inhalte der Verkehrserziehung neben Sicherheitsfragen noch stärker auch auf Sozial-, Umwelt- und Gesundheitsaspekte ausdehnte [Spit97, S. 37]. Damit sollte auch die künftige Gestaltung des Verkehrs und Fragen der Verkehrsmittelnutzung thematisiert werden [FlHa04]. Um die geänderte Zielsetzung deutlicher zu machen und gegen die "klassische Verkehrserziehung" abzugrenzen, wurde vorgeschlagen den Begriff "Mobilitätserziehung" zu verwenden [FlHa04].
[KHKK01] definieren Mobilitätserziehung als "Einwirken auf das Mobilitätsverhalten des Einzelnen zum Schutz und zur Verwirklichung seiner eigenen Persönlichkeit." Darüber hinaus hat ein kollektives idealisiertes Mobilitätsverhalten gesamtgesellschaftliche positive Auswirkungen [KHKK01, S. 163 f.]. Mobilitätserziehung soll damit auch einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft und der Umwelt liefern [FlHa04].
Bei der "klassischen Verkehrserziehung" wird der Straßenverkehr als technisches System, wohingegen die "Mobilitätserziehung" den Straßenverkehr eher als soziales System und gesellschaftliches Produkt betrachtet [FlHa04]. Es ist umstritten, wie weit die beschlossenen Konzepte wirklich Eingang in den Unterrichtsalltag gefunden haben [Curd95; Spit97].